Mit einer Sonderausstellung widmen sich die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim der Glaskunst aus dem Jugendstil. Die Schau „Streifzüge durch die Natur. Gläserne Kostbarkeiten aus dem Jugendstil“ ist vom 5. November 2023 bis 30. Juni 2024 im Museum Peter & Traudl Engelhornhaus, C4, 12 zusehen. „Glas war das Material für die Zeit um 1900“, sagte Eva-Maria Günther dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag.
Die Kuratorin der Ausstellung hob die Bedeutung des Jugendstils als Vorläufer für zeitgenössische Glaskunst hervor. Es gab eine große Bandbreite an Techniken, mit denen Glas ver- und bearbeitet wurde. Die Natur galt als Vorbild und Stilmittel für die Epoche des Jugendstils.
Der Jugendstil öffne den „Blick auf die Schönheit des Unscheinbaren in der Natur“, erklärte Günther den Unterschied zum Historismus. Die Vasen, Schalen, Aschenbecher oder Briefbeschwerer zeigen Wild- statt Edelrosen, Löwenzahn, Disteln oder andere bis dahin in der Kunst eher vernachlässigte Unkräuter. 80 Objekte aus Leihgaben zweier Privatsammlungen sind in den neu bezogenen Räumen zu sehen.
Sie stammen von namhaften Künstlern des Jugendstils wie den Franzosen Emile Gallé und René Lalique. Vertreten sind außerdem die Manufakturen Daum Frères, Muller Frères oder Johann Loetz Witwe aus Böhmen. Von dem amerikanischen Künstler Louis Comfort Tiffany ist die Vase „Morning Glory“ zu sehen, deren Dekor eine blaue Ackerwinde mit aufgedampftem Goldstaub zeigt und die bereits beim Erstverkauf seinerzeit 1.000 US-Dollar erzielte.
Die Schau ist als sechs Spaziergänge durch die Natur konzipiert: vier an Land, zwei am Wasser. Die Landspaziergänge führen thematisch durch das „Frühlingserwachen“, zu einem „Picknick im Park“, durch „Feld, Wald und Wiese“ sowie zur „Erntezeit“. Die Kunstwerke repräsentieren Stimmungen in der Natur wie das Morgengrauen, die blaue Stunde, den Sonnenuntergang.
„Die Symbolik des Jugendstils nimmt die Schönheit und die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz auf“, so die Kuratorin. Die Symbolsprache zeigt sich etwa in der Darstellung der Taglilie, die nur einen Tag lang blüht. Auch das glitzernde, leuchtende ist typisch für die Stilepoche, so war etwa das strahlend blaue Pfauenauge ein beliebtes Motiv.
Daneben bezog gerade der Franzose Emile Gallé mit seiner Kunst auch Position zu politischen Themen. In der Affäre „Dreyfus“ stellte er sich mit seiner Alpenveilchen-Vase auf die Seite des Inhaftierten. Und auch die stacheligen Disteln sind bei Gallé mehr als nur Verzierung: Nach dem deutsch-französischen Krieg (1870-1871), in dessen Folge Frankreich Elsass-Lothringen an Deutschland abtreten musste, waren die Stacheln an eine Art Warnschuss an die Deutschen.
Gallé war es auch, der als gelernter Glasbauer die Hammerschlagtechnik entwickelte. Sie werde bis heute in Venedig für Glaskunstarbeiten verwendet, weiß Günther. „Glas ist ein trickreiches Material. Es kann noch beim letzten Verarbeitungsschritt kaputtgehen“, so die Expertin.
Die Herstellung von Glas, seine Verarbeitung sowie die zahlreichen Techniken von Ätztechnik über Verschmelzung, Patinierung, Emailbemalung und Glasintarsien sind am Ende der Ausstellung erläutert. Glaskunst ist ein fester Bestandteil des Stiftungsmuseums Peter & Traudl Engelhornhaus. „Streifzüge durch die Natur. Gläserne Kostbarkeiten aus dem Jugendstil“ ist nach „ZART & RAU“ (2015), „CHROMATIK“ (2019) und „HERZKLOPFEN“ (2023) die vierte Sonderausstellung der Reiss-Engelhorn-Museen zu Glaskunst. (2623/02.11.2023)