Wenn die Diagnose Krebs den Boden unter den Füßen wegzieht, dann sucht Petra Grunwald-Drobner „Tankstellen“ für Familien. Seit acht Jahren arbeitet die 52-jährige Sozialarbeiterin in der Psychosozialen Krebsberatungsstelle der Diakonie Paderborn-Höxter mit Kranken und ihren Angehörigen. Wie ihre Arbeitstage dort aussehen, erzählt sie selbst, protokolliert von Reinhard van Spankeren.
Meine Vollzeitstelle besteht aus zwei Teilen: Zur Hälfte mache ich psychosoziale Krebsberatung und mit der anderen Hälfte bin ich in der Familien- und Lebensberatung engagiert. Das kommt stundenmäßig gut hin und das passt auch inhaltlich gut. Denn wenn ein Mensch an Krebs erkrankt, dann ist die ganze Familie mit betroffen. Die Krankheit Krebs beherrscht den Familienalltag, aber mit den Kindern wird oft wenig oder gar nicht über die Diagnose gesprochen.
Wir bieten eine Gruppe für Kinder an Krebs erkrankter Eltern an, in der wir die Kinder psychisch stabilisieren und so die ganze Familie stärken. Für den Heilungsprozess der Erkrankten kann das auch ganz wichtig sein. Und in der Gruppe erleben die Kinder, dass sie nicht allein sind mit ihren Gefühlen und ihren Ängsten. Die Kindergruppe machen wir donnerstags von 15 Uhr bis 16.30 Uhr.
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel um 8 Uhr. Dann bin ich aber gut erreichbar. Das ist eine gute Zeit, um mit Behörden vieles zu erledigen. Ich höre den Anrufbeantworter ab und bearbeite meine E-Mails.
Gestern noch kerngesund, heute todkrank
Wir sind hier vor Ort in der psychosozialen Krebsberatung gut vernetzt. Es gibt zwei spezialisierte Ärztinnen in der LWL-Klinik. Da gibt es zum Glück kurze Wartezeiten. Wir arbeiten auch eng mit niedergelassenen Ärzten zusammen, die sich auf Palliativmedizin spezialisiert haben.
Ab 9 Uhr habe ich dann längere Beratungstermine. Es ist sehr vorteilhaft, dass wir hier mit unserer Diakonie-Beratungsstelle mitten in der Innenstadt, nah am Bahnhof, so gut zu erreichen sind.
Krebs hat viele Dimensionen. Da geht es scheinbar banal um geradezu technische Fragen, etwa den Schwerbehindertenausweis, das Krankengeld, Erwerbsunfähigkeit oder Kuranträge. Krebs stürzt Familien in große wirtschaftliche Schwierigkeiten, vor allem junge Familien, etwa dadurch, dass man plötzlich das Häuschen nicht mehr abbezahlen kann, weil der Hauptverdiener ausfällt. Krebskranke sind ja in der Regel ein Jahr und mehr krankgeschrieben, sind im Beruf „ausgesteuert“.
Erst einmal zieht die Diagnose Krebs den Betroffenen den Boden unter den Füßen weg. Man wird von heute auf morgen ausgebremst – gestern war ich noch kerngesund und auf einmal bin ich todkrank. Und die Partnerschaft wird sehr belastet. Es gibt viele Paarprobleme und oft auch Trennungen. Dann steht der Kranke mit der Krankheit alleine da und auch noch ohne Partner. Viele entwickeln dann Depressionen oder andere psychische Krankheiten. Manche Angehörige können oder wollen nicht wahrnehmen, wie krank der Partner ist.
Und wenn die Eltern so belastet sind, dann fallen oft die Kinder aus dem Blick. Die Kinder krebskranker Eltern in meiner Gruppe sind in der Regel sechs bis zwölf Jahre alt. Oft sacken sie in der Schule ab, werden aggressiv oder umgekehrt total still. Da tut es gut, wenn wir gemeinsam an Gefühlen arbeiten können. Auch junge Erwachsene, die so etwa 20 Jahre alt sind, haben einen hohen Beratungsbedarf, ihre Angst, ihre noch recht jungen Eltern zu verlieren, ist groß.
Neue Kraftquellen entdecken
Für die Kranken und ihre Familien suche ich immer nach „Tankstellen“. Wo sind Kraftquellen, damit die Betroffenen durch diese schwierigen Prozesse möglichst gut durchkommen?
Die Therapien sind körperlich extrem anstrengend. Durch die Chemo gibt es viele körperliche Schädigungen. Und später kommt die physische Leistungsfähigkeit oft nicht so zurück, wie die Menschen sich das erwarten. Ärzte sagen dann: „Sie sind doch geheilt“, aber die Patienten fühlen sich nicht fit. Wenn man Krebs hat, muss man vieles im Leben ändern.
Wir würden gerne unsere Arbeit erweitern. Natürlich mache ich Hausbesuche, wenn die Menschen nicht zu uns kommen können. Aber Gruppenarbeit, vor allem Gruppenarbeit mit Angehörigen und mit Kindern, die auf dem Land leben, das schaffen wir nicht. Da fehlt es uns an Geld, um das zu finanzieren.