Hamburg. Man hätte sich keinen besseren Tag für dieses Interview aussuchen können. Der gerade eingesegnete Diakon Sören Wichmann und die Diakonin Runhild Jasper-Koch, Abschlussjahrgang 1978, sollen heute erzählen, wie das war, als sie an der Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie studiert haben. Und ausgerechnet heute begrüßt das Rauhe Haus seine neuen Erstsemester. Hinweistafeln überall, kleine Gruppen ziehen durchs Gebäude, um ihr neues akademische Zuhause kennenzulernen.
Und schon sind Runhild Jasper-Koch und Sören Wichmann in ihrem Element. Immer wieder begrüßen sie Dozenten oder neue Studenten – man kennt sich eben, auch wenn man schon vor Jahrzehnten hier Abschluss gemacht hat. Nicht umsonst betont die Hochschule bei jeder Gelegenheit ihre familiäre Atmosphäre, und über die Brüder- und Schwesternschaft, die geistliche Gemeinschaft des Rauhen Hauses, sind sie sowieso alle verbunden. 645 Mitglieder hat sie momentan.
“Meen Deern, kannst anfangen”
Damals sei es an der Einrichtung sogar noch familiärer zugegangen, sagt Runhild Jasper-Koch. Und noch kleiner. Nur 50 Studenten seien es pro Jahr gewesen, die oberen beiden Stockwerke kommen erst 1991 auf das Gebäude in Hamburg-Horn. Als 17-Jährige kommt sie aus Wesselburen im Kreis Dithmarschen nach Hamburg – mit dem festen Vorsatz, etwas in Richtung Diakonie zu lernen. Sie stellt sich bei Vorsteher Wolfgang Prehn vor, der offenbar von ihr überzeugt ist: „Meen Deern, du kannst hier anfangen“, sagt er damals zu Runhild Jasper-Koch.
Eine sehr politische Hoschule
Daraufhin holt sie erst die Fachhochschulreife nach und studiert dann sechs Semester Soziale Arbeit, inklusive eines zusätzlichen Diakonie-Abschlusses. Danach arbeitet die Diakonin 20 Jahre in der Beratungsstelle „Arbeit & Lernen“ für Langzeitarbeitslose und 13 Jahre in der Kirchengemeinde Barmbek.
Nicht immer verläuft damals alles in geregelten Bahnen. „Wir waren eine echte Revoluzzer-Truppe“, erinnert sich die 66-Jährige. Sehr politisch geht es zu, oft sind die Studenten bei großen Demonstrationen dabei, zum Beispiel gegen das Atomkraftwerk Brokdorf, das gerade im Bau ist.

Politisch geht es auch heute noch zu an der Hochschule, davon kann Sören Wichmann berichten. Allerdings stehen nicht jedes Mal die großen politischen Themen im Vordergrund. Vor ein paar Jahren zum Beispiel geht die Studentenschaft auf die Barrikaden, als das Rauhe Haus die „Papierlose Uni“ einführen will. Doch manche Studenten haben nicht das Geld, um sich die nötigen Geräte zu kaufen, sagt der 27-Jährige. Und so mottet die Uni den Plan wieder ein.
Infizierte Seeleute betreut
Nach seinem Studium der Sozialen Arbeit & Diakonie beginnt Wichmann als Diakon beim Hamburger Seemannsclub Duckdalben. Dort betreut er Seeleute, die an Corona erkrankt sind und in Hamburger Hotels unter Isolation stehen. Seine Freunde erstaunt das, aber Sören Wichmann antwortet ihnen dann mit der Bibel: Auch Jesus sei ja zu denen gegangen, mit denen keiner zu tun haben wollte.