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Von der Hostie bis zur Kokosnuss

In der Regel feiern die Kirchen das Abendmahl mit Brot und Wein. Wo aber weder Trauben noch Weizen wachsen, zeigt sich Christus auch in anderen Nahrungsmitteln

© epd-bild / Rainer Oettel

Es fehlt nur noch, dass sich die Tischplatte biegt: Ein Kirchenfenster in Soest zeigt, wie Jesus und die Jünger inmitten von Bierkrügen und Tellern voller Aufschnitt tafeln. Die Darstellung, um 1500 entstanden, ging als westfälisches Abendmahl in die Geschichte ein. Es versteht sich von selbst, dass eine Oblate mit einem so üppig gedeckten Tisch nicht mithalten kann. Sollte die Darstellung gegenüber der Kirche ein Wink mit dem Zaunpfahl sein?

Früher zum Abendmahl mehr aufgetischt

Der Gedanke liegt nahe – aber: „Hostien waren nie Feinkost, aber dennoch stand über Jahrhunderte hinweg fest, dass an der Festlegung der Kirche auf Brot und Wein nicht zu rütteln war“, sagt Anselm Schubert, Professor für Evangelische Theologie aus Erlangen-Nürnberg, dessen Buch „Gott essen“ kürzlich erschienen ist. Außerdem sei schon damals klar gewesen, dass Jesu Abendmahl und das Sakrament in der Messe zwei verschiedene Dinge waren.

„Die frühen Christen hatten bei ihren Abendmahlfeiern eine Vielfalt an Speisen aufgetischt, wir wissen von Früchten, Milch oder auch Käse, aber damit war es seit der Spätantike vorbei“, sagt Schubert. Das Gemeinschaftsmahl wurde zum Kultmahl, immer mehr Details wurden geregelt. Wer nicht mit Brot und Wein feierte, galt als Ketzer.
Dass der Gottessohn nach christlicher Überzeugung beim Abendmahl präsent ist, erklärt, warum die Frage der richtigen Lebensmittel überhaupt von Belang ist. Für die Katholiken wird bei der Eucharistie Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi gewandelt, und auch Luther hielt an der Gegenwart Christi im Abendmahl fest – anders als die reformierten Protestanten, für die Brot und Wein stets Brot und Wein geblieben sind. Im 9. Jahrhundert führte die lateinische Kirche die Oblate ein. Mit der Ausnahme von Traubensaft gilt der katholischen Kirche Wein bis heute als alternativlos.

Vielerorts war es zu kalt, zu verregnet oder zu trocken, Trauben und Weizen wuchsen nicht überall, wo die Gläubigen lebten. Oft war es die schiere Not, die erfinderisch machte. So berichtet Schubert etwa von mittelalterlichen Bräuchen in Skandinavien, das Abendmahl mit Bier zu begehen. In Island und Grönland wuchs ebenfalls kein Wein. Mit einer päpstlichen Ausnahmeerlaubnis, aus Rosinen Traubensaft anzusetzen, ließ sich im 14. Jahrhundert eine Zeitlang behelfen. Als wegen der Pest keine Schiffe mehr fuhren, fiel die Messe jahrelang aus.

Was, wenn Jesus Inder, Lateinamerikaner oder Insulaner im Pazifik gewesen wäre? Wäre Jesus nicht im Mittelmeerraum geboren, hätte er vielleicht Maisfladen gebrochen oder den Kelch mit Zuckerrohrwein gereicht. Das gestanden sich zwar auch die Kirchen ein. Aber eine Anpassung kam weder für Katholiken noch für Lutheraner infrage.
Die Problematik ist bis heute bestehen geblieben. Das zeigt auch ein Papier des Ökumenischen Rats der Kirchen, in dem 348 Kirchen aus aller Welt organisiert sind – allerdings nicht die römisch-katholische Kirche. Darin steht, dass „ortsübliche Nahrungsmittel und Getränke die Eucharistie besser im täglichen Leben verankern“ könnten.

Dass ein Pfarrer der evangelisch-methodistischen Kirche auf der pazifischen Insel Tonga das Abendmahl mit der Kokosnuss feierte, war schon länger bekannt. Aber nun zeigte sich, dass noch ganz andere Lebensmittel zum Einsatz kamen. Denn wo Muslime regieren, ist Alkohol verboten. Wenn Menschen Gluten nicht vertragen, muss ein anderes Getreide als Weizen her. In Uganda wurde Bananensaft statt Wein gereicht, in Burundi Johannisbeerschorle, auf Kuba auch Honigwein. In Nordamerika gab es auch Reiskuchen statt Brot, im Sudan griff man auf die Maniokwurzel zurück. Dass sich kulinarische Gepflogenheiten je nach Region unterscheiden, ändert das Abendmahl nicht. Auch wenn Jesus den meisten Christen in Form einer Hostie gegenwärtig wird, symbolisiert ihn am anderen Ende der Welt eben bisweilen auch eine Kokosnuss.

Anselm Schubert: Gott essen. Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls. Verlag C.H.Beck, 271 Seiten, 24,95 Euro.