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Vom Geist bewegen lassen

Das Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes – für viele ist das schwer vorstellbar. Die Bibel sagt: Man kann den Geist nicht sehen, aber seine Wirkung spüren

Hasen und bunte Eier gehören zu Ostern, Tannenbäume und leuchtende Sterne zu Weihnachten. Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, dagegen geht leer aus. Das dritte große christliche Fest im Kirchenjahr findet in deutschen Wohnzimmern nicht statt: Es gibt kein vergleichbares Brauchtum, das den Feiertag dekoriert und dabei sinnbildlich für Pfingsten steht.
Der Heilige Geist, um den sich Pfingsten alles dreht, bleibt auch in den biblischen Berichten weitgehend unsichtbar: Da sitzen die Jünger 50 Tage nach Jesu Kreuzestod verzagt in Jerusalem zusammen, als plötzlich ein Brausen vom Himmel kommt und ein gewaltiger Wind das Haus erfüllt. Dazu fallen Feuerzungen auf die Köpfe der Anwesenden.
So inspiriert predigen die Anhänger Jesu wortgewaltig und versetzen ihre Umgebung mit einem spektakulären Auftritt in Erstaunen. Die erste christliche Gemeinde ist geboren – und mit ihr eine Religion, die sich in der Welt verbreiten soll.

Wind und Feuer als biblische Symbole

Wind und Feuer sind laut neutestamentlichem Zeugnis also Zeichen der Ausgießung des Heiligen Geistes: eine Symbolik, die sich wenig für volksnahe Bilder eignet. Man kann den Heiligen Geist nicht sehen – aber seine Wirkung spüren.
Jesus selbst erklärt das laut Johannes-Evangelium (Kap. 3,8) so: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren wird.“ Durch das Neue Testament zieht sich die Aussage: Als ein Teil der göttlichen Dreieinigkeit kommt der Heilige Geist zu den Gläubigen – er ist die Kraft der Veränderung, die von Gott ausgeht.
Sichtbarer Ausdruck der spirituellen Wirkung sind die Gaben des Heiligen Geistes, die sich in menschlichem Verhalten zeigen sollen. Obwohl viele davon in der Bibel aufgezählt werden, führte ihre systematische Listung zu theologischen Auseinandersetzungen.
Seit dem Mittelalter spricht die kirchliche Lehre von den „Sieben Gaben des Geistes“. Der Scholastiker Johannes Bonaventura zählte im Jahr 1267 Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Erkenntnis (Wissenschaft), Frömmigkeit und Gottesfurcht auf. Daraus entwickelte sich ein für die katholische Tradition prägender Kanon. In der Firmung – einem Sakrament, das der Bestätigung der Taufe dient – empfangen junge Katholiken bis heute die Gaben des Heiligen Geistes durch Handauflegung. Diese sollen die Früchte des Heiligen Geistes hervorrufen, die in Galater 5,22-23 genannt sind: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“

Geistbewegte Menschen waren der Kirche suspekt

Martin Luther formulierte schlicht im kleinen Katechismus: „Der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen und mit seinen Gaben erleuchtet.“ Die lutherische Orthodoxie des 17. Jahrhunderts kam wiederum zu einer siebenstufigen Aufzählung der Geistesgaben – allerdings klingen diese hier ganz anders: Berufung, Wiedergeburt, Bekehrung, Rechtfertigung, Buße, Vereinigung mit Gott und Heiligung waren nun die offiziellen evangelischen Geistesgaben.
Der radikale Flügel der Reformation brachte die Spiritualisten – oder auch „Schwärmer“ – hervor. Ihnen war das Hören auf den „spiritus sanctus“, den Heiligen Geist, und die persönliche Erfahrung wesentlich. Ihre Auffassung vom Heiligen Geist: Er wohnt dem Menschen inne und spricht zu ihm, direkter als die Bibel.
Für Anhänger der Pfingstkirchen, die heute mit weltweit 540 Millionen Anhängern etwa ein Viertel der Christenheit ausmachen, hat die Wirkung des Heiligen Geistes eine entscheidende Bedeutung: Sie berichten, dass sie fühlen, wie der Geist sie erfüllt. Diese Erfahrung wird zumeist als dramatisches emotionales Ereignis empfunden.
Manche Gläubige geraten in Ekstase, wenn sie sich spirituell überwältigt fühlen: Sie fallen in Trance oder wälzen sich am Boden. Das „Sprechen in Zungen“, prophetische Ansagen oder auch Krankenheilungen werden in manchen Gemeinden – vornehmlich in Afrika oder Lateinamerika – als Beweis für die Anwesenheit des Heiligen Geistes gedeutet. In gemäßigten Pfingstgemeinden gehören Lobpreis und Anbetung zu den Ausdrucksformen der Geistesgaben, die sich ansonsten unspektakulär im Predigen, in der Seelsorge und der Diakonie vermitteln können.
Der Apostel Paulus war es, der die vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes auf einen Nenner brachte: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“, schrieb er an die christliche Gemeinde in Rom. Liebe als Geistesgabe also – noch heute ein Thema in Pfingstgottesdiensten, die vielerorts ökumenisch begangen werden.