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Volkskrankheit Depressionen – Fachliche Tipps für das Umfeld

“Einfach da sein” – das kann schon reichen, wenn ein Mensch depressiv erkrankt. Doch manche gut gemeinten Maßnahmen richten eher Schaden an. Fachleute erklären, wie Vertraute helfen können, ohne sich selbst zu verlieren.

Depression betrifft nicht nur rund fünf Millionen Menschen in Deutschland – sondern auch deren Familie und das soziale Umfeld. Drei Viertel der Angehörigen beschreiben die Erkrankung als große Belastung. Fachleute haben Tipps, was Partner, Verwandte oder Freundinnen tun können.

– “Morgens aufstehen, den Geschirrspüler ausräumen oder einen Arzttermin vereinbaren – all diese Tätigkeiten können in der Depression die größte Herausforderung sein”, sagt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, Ulrich Hegerl.

– Wenn jemand eine Behandlung zunächst ablehne, helfe nur Geduld, fügt Hegerl hinzu. Laut einer Erhebung der Stiftung war es bei 41 Prozent aller Erkrankten ein Familienmitglied, das Veränderung bemerkt und die Betroffenen darauf angesprochen habe; 38 Prozent wurden von Angehörigen ermutigt, sich professionelle Hilfe zu suchen.

– Auf die Frage, was Betroffenen am meisten geholfen habe, lautete in der Befragung der Stiftung Depressionshilfe im vergangenen Herbst die häufigste Antwort: “einfach da sein”. Als eher kontraproduktiv beschrieben es die meisten, wenn nahestehende Menschen die Depression nicht als Erkrankung betrachtet oder Druck ausgeübt hätten. Wer einer erkrankten Person indes alles abnehme, vermittle ihr das Gefühl, ihr sei nichts zuzutrauen, warnt der Schweizer Psychotherapeut Guy Bodenmann.

– So bleibt die Beziehung im Gleichgewicht, sagt Bodenmann im Interview der “Welt am Sonntag” – und: “Ohne emotionale Gegenseitigkeit ist eine Beziehung auf Dauer nicht tragbar.”

– Wer dies tut, riskiert nach Worten Bodenmanns einen emotionalen Ausbruch. Zudem seien Rückfälle dann am wahrscheinlichsten, wenn der gesunde Partner “zwar fürsorglich handelt, aber unterschwellig Kritik mitschwingt”.

– Wer gelegentlich bei Sitzungen dabei ist, gewinnt ein tieferes Verständnis für die Problematik – und findet Raum, um sich auch selbst zu öffnen. Bodenmann appelliert zudem an das Umfeld, nicht nur die erkrankte Person nach dem Befinden zu fragen, sondern auch deren Partner oder Partnerin.