Das Erste überzeichnet in einer neuen Improvisationsserie Weihnachten in der Familie. Gegensätze wie Ost und West, Arm und Reich, hohe Erwartungen und tiefe Enttäuschungen sorgen für Zündstoff.
Im Laufschritt schafft Mario Meurer (Charly Hübner) Würstchen im Glas und Kartoffelsalat im Eimer in seinen in die Jahre gekommenen Lieferwagen. Dann lockt der fleißige Handwerker seinen Bruder Thorsten (Devid Striesow) aus der anderen Haushälfte und sammelt auf dem Weg zur Autobahn noch schnell Tochter und Influencerin Jäcki, Jaqueline (Luise von Finckh), bei deren Freund im Plattenbau ein. Damit wäre der erste Teil des Ensembles wieder vereint, das bereits aus der Impro-Serie “Das Begräbnis” bekannt ist.
Für die Fortsetzung der turbulenten Familiengeschichte fehlt eigentlich nur noch Schwester Sabine Meurer-Streuble (Claudia Michelsen). Reiste sie zu “Das Begräbnis” – gesendet im Januar – noch in den Norden, so machen sich ihre Brüder samt Anhang nun zu “Das Fest der Liebe” vom Mecklenburger Schaalsee aus gen Schwarzwald auf. Gezeigt wird die vierteilige Improvisationsserie am 23. Dezember ab 17.00 Uhr im Ersten.
Doch Sabine entzieht sich dem Familientreffen in der luxuriösen Schwarzwaldvilla und unter dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum. Die strauchelnde Unternehmerin findet stattdessen Zuflucht im “Hotel und Restaurant Weinberg”. Von dort nimmt Sabine auf einer Art Selbstfindungstrip beim lebensklugen Wirt Ben (Jan Georg Schütte) immer mal wieder per Smartphone Kontakt zur Familie auf. In der Villa gibt es derweil für alle Familienmitglieder Überraschungen, die mit dem Fest wenig zu tun haben, was wiederum jeden Einzelnen vor neue Herausforderungen stellt.
“Meine Drehs sind immer ein Trip für die Schauspieler”, freut sich Schütte, Schauspieler, Autor und Regisseur. Er ist vielen seit zehn Jahren bekannt als kauziger Inspektor Thierry Kadeg, der neben “Kommissar Dupin” in der Bretagne ermittelt. Die Besonderheit an Schüttes Improvisationsfilmen: Es gibt kein ausformuliertes Drehbuch, sondern nur eine vage Rollenbeschreibung. Dem Schauspiel wird somit freier Lauf gelassen; 50 Kameras fangen alle Szenen ein. Nach den Dreharbeiten liegt die Herausforderung im Sichten des umfangreichen Materials, das innerhalb von nur sechs Stunden erspielt wurde. Aus diesem Potpourri entsteht in Monaten im Schnittraum die Dramaturgie der Serie.
Das Unplanbare bei dem Dreh ist auch für die Akteure vor der Kamera reizvoll. Schauspieler stehen für Schüttes Improvisations-Projekte Schlange: Nicole Heesters, Wolf-Dietrich Sprenger, Oliver Wnuk, Andrea Sawatzki und Lena Klenke mussten dem Vernehmen nach nicht zweimal gefragt werden und verkörpern überzeichnet den bisher unbekannten Schwarzwälder Familienteil – einen zerstrittenen Unternehmer-Clan. Die Vielzahl der Gegensätze Ost und West, Arm und Reich, hohe Erwartungen und tiefe Enttäuschungen sorgen in dem von der Frankfurter ARD-Filmtochter “Degeto” produzierten Vierteiler für reichlich Zündstoff.
Besonders ist für Schütte und sein Team immer das Unkalkulierbare im Umfeld der Dreharbeiten. So musste durch einen Unfall von Claudia Michelsen kurz vor Drehbeginn noch umdisponiert werden. Was Schütte dadurch gelernt hat: “Ich sollte mir, meinen Mitarbeitern und diesem Verfahren mehr vertrauen. Irgendwie wird’s schon werden.”
“Das Fest der Liebe” ist kurzweilig und unterhaltsam, man schaut dem Familien-Gerangel in vier Mal 45 Minuten amüsiert zu. Nicht umsonst gilt der gebürtige Oldenburger als Wegbereiter von Improvisations-Filmen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Als Drehbuchautor und Regisseur lieferte der bei Hamburg lebende Schütte mit “Altersglühen” vor neun Jahren eine mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Impro-Serie über Speed Dating für Senioren. Sein Erfolgsgeheimnis verrät Schütte nicht; was ihn reizt, beschreibt er so: “Beruflich treibt mich die Suche nach Wahrhaftigkeit und Lebendigkeit an.”