BIELEFELD – Senioren und Jugendliche mit geringer Schulbildung haben einer Hochschulstudie zufolge häufig Probleme, sich im deutschen Gesundheitssystem zurecht zu finden. „Bei diesen beiden Gruppen stellen wir große Schwierigkeiten bei der Gesundheitskompetenz fest“, sagte die Gesundheitswissenschaftlerin Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld zu den Ergebnissen einer Analyse zur sogenannten Health Literacy in Nordrhein-Westfalen. Noch gravierender sähe die Situation bei älteren und jungen Menschen mit Migrationshintergrund aus. Sie verfügten selten über die Fähigkeit, im Alltag Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken.
Für die Studie wurden den Angaben nach landesweit 500 Jugendliche mit maximal einem Hauptschulabschluss sowie 500 Menschen im Alter zwischen 65 und 80 Jahren befragt. Die Hälfte davon hatte jeweils einen Migrationshintergrund. Demnach haben ein Viertel der befragten ausländischen 15- bis 25-Jährigen keine ausreichende Gesundheitskompetenz. Bei den deutschen Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten sind es knapp 13 Prozent. Bei den Älteren waren die Unterschiede noch gravierender, hieß es.
Im Notfall den Krankenwagen rufen oder den Anweisungen ihres Arztes oder Apothekers folgen, damit hätten sozial benachteiligte Menschen kein Problem, hieß es. Schwierig werde es für sie, wenn sie etwa Vor- und Nachteile einer Behandlungsmethode beurteilen oder Packungsbeilagen verstehen sollen, erklärte Schaeffer. Auch Fragen, ob eine zweite ärztliche Meinung eingeholt werden sollte oder wie Medienberichte über Krankheiten einzuschätzen seien, überfordere vor allem die Jugendlichen oft.
Die Gesundheitsexpertin führt die Unsicherheit der Befragten auf den niedrigen Bildungsstand, mangelnde Deutschkenntnisse sowie eingeschränkte Lese- und Schreibfähigkeiten zurück. Ein weiteres Problem sei die Digitalisierung. „Nicht jeder hat Zugang zum Internet“, sagte Schaeffer. Sie forderte, Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern stärker für die Problematik zu sensibilisieren. „Ärzte sollten sich am Sprachniveau der Patienten orientieren und sich leicht verständlich ausdrücken“, sagte die Bielefelder Professorin für Gesundheitswissenschaften. Außerdem sollten zum Beispiel Lebensmittelverpackungen und Beipackzettel von Medikamenten besser gestaltet werden. epd
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