Freudig flattert Henry auf den Arm von Matthias Reinschmidt. Der Direktor des Zoologischen Gartens Karlsruhe kennt den blau gefiederten Hyazinth-Ara, seit er ein Küken war. Im Zwei-Stunden-Rhythmus hat er den Papagei gefüttert, im Brutapparat, den er unterwegs im Auto am Zigarettenanzünder angeschlossen hat, im Büro und zu Hause – Tag und Nacht.
„Wenn es um jedes Exemplar geht, macht man das“, sagt der Biologe. Der größte Papagei der Welt steht auf der Roten Liste der Internationalen Union für Naturschutz (IUCN) als gefährdet. Beheimatet ist er in Südamerika. Weltweit gibt es nur noch 6.000 bis 7.000 Exemplare.
Der Hyazinth-Ara ist eine von rund 30.000 bedrohten Tierarten, die zurzeit auf der Roten Liste der Nichtregierungsorganisation stehen. Die Zahl ändert sich ständig: Einige Arten sterben aus, andere kommen neu auf die Liste hinzu. Experten sprechen vom sechsten Massenaussterben in der Geschichte der Erde.
Wissenschaftler haben berechnet, dass in den kommenden Jahrzehnten bis zu eine Million Tierarten an den Rand der Ausrottung gedrängt werden. Die Geschwindigkeit, in der Arten sterben, ist demnach bereits heute zehnmal höher als in den vergangenen zehn Millionen Jahren. „Verantwortlich ist der Mensch durch den hohen Ressourcenverbrauch“, sagt die Referentin für Artenschutz beim Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU), Alexandra Ickes.
Ursächlich für diese Entwicklung sind: ausufernde Landnutzung, auch für die Landwirtschaft, Überfischung, Umweltverschmutzung, Flächenverbrauch und Wilderei. Zugleich bedrohen eingewanderte Arten und der Klimawandel die Biodiversität. Artenschutz diene jedoch unserer Lebensgrundlage, sagt Ickes.
Auf die Folgen des Artensterbens macht am 3. März der „Tag des Artenschutzes“ aufmerksam. Ohne dass der Mensch dies bis ins Detail schon erforscht hätte, ist bekannt, dass Arten untereinander vernetzt sind. „Jedes Tier, jede Pflanze hat im Ökosystem seine Nische und seine Bedeutung für das weitere Ökosystem“, betont der Sprecher des Zoos Karlsruhe, Timo Deible.
Wie die „Krefelder Studie“ von 2017 ergab, ging in den vergangenen 25 Jahren die Flugmasse von Insekten um 75 Prozent zurück. 2020 veröffentlichten Insektenforscher Zählungen von Schwebfliegen auf der Schwäbischen Alb, wonach der Rückgang noch dramatischer ist als angenommen.
Mit dem Verlust der Biodiversität drohe das gesamte Ökosystem aus den Fugen zu geraten, lautet die Warnung. Das Ungleichgewicht hat Folgen für die Landwirtschaft und die Welternährung, befördert das Einschleppen neuer Krankheiten, beschleunigt den Klimawandel.
„Ohne Artenschutz sterben Pflanzen aus, die in Zukunft möglicherweise einen medizinischen Nutzen haben könnten“, hebt Ickes eine weitere Konsequenz hervor. Zudem fördere Artenvielfalt das menschliche Wohlbefinden.