UK 3 und 6/2017, Kolonialverbrechen Namibia (UK 3, Seite 4: „Sammelklage eingereicht“; UK 6, Leserbrief Seite 14: „Wie soll da Versöhnung gelingen?“)
Die Beurteilung der Sammelklage von Hereros und Nama gegen die Bundesrepublik Deutschland ist mehr theoretischer Natur. Es stellt sich doch die Frage, ob das heutige Deutschland wirklich die Nachfolgerin des kaiserlichen Kolonialreiches, ebenso des Nazi-Reiches ist. Die Niederschlagung des Aufstandes von 1904 bis 1908 war zugegebenermaßen blutig – ob berechtigt, da tun sich mir Zweifel auf. Das hätte man vermutlich anders lösen können. Nur ist diese Aktion vom Kaiserreich Deutschland veranlasst worden. Es gibt heute weder das Reich, noch Kaiser Wilhelm, unter dessen Administration das geschehen ist. Danach folgte die diletantisch gegründete Weimarer Republik, danach das unselige Nazi-Reich.
Die Bundesrepublik Deutschland ist meines Erachtens ein ganz anderer Staat, quasi gegründet durch die Westalliierten nach dem zweiten brutalen Weltkrieg, wobei Deutschlands Osten ein eigener Regiestaat der Sowjetadministration gewesen ist.
Von denen, die den Aufstand niederschlagen ließen, beziehungsweise an der Niederschlagung beteiligt waren, kann niemand mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Alle drei vorangegangenen Staatsformen sind untergegangen beziehungsweise von der Landkarte eliminiert worden. Warum also eine Klage auf Wiedergutmachung gegen einen völlig anderen Staat und das nach bald 100 Jahren? Freilich kann sich die Bundesregierung für das vom Kaiserreich begangene Unrecht entschuldigen, aber das muss reichen.
Wenn solche Wiedergutmachungsforderungen Berechtigung erfahren, dann kann ebenso spitzfindig behauptet werden, der Bundesrepublik Deutschland stehen noch Reparationen aus dem 30-jährigen Krieg vom Kaiserreich Habsburg und dem Vatikan zu, weil der von diesen initiierte grausame Krieg unzählige Opfer von deutschen Menschen sowie Milliarden Euro an Sachbeschädigungen gefordert hat.
Ulrich Stock, Dortmund