Weil Oppositionspolitiker Edmundo Gonzalez einen Aufruf an Polizei und Streitkräfte zum Gewaltverzicht als “gewählter Präsident” unterzeichnet hat, ermittelt nun der Generalstaatsanwalt gegen ihn.
In Venezuela droht eine weitere Eskalation der innenpolitischen Krise. Anlass ist ein gemeinsames Schreiben von Präsidentschaftskandidat Edmundo Gonzalez und Oppositionsführerin Maria Corina Machado an die Sicherheitskräfte des Landes. Sie forderten diese darin auf, keine Gewalt gegen das venezolanische Volk auszuüben und den Wählerwillen zu respektieren. Daraufhin kündigte Generalstaatsanwalt Tarek Saab Ermittlungen gegen die beiden Politiker wegen Amtsanmaßung und Anstachelung zum Ungehorsam an. Gonzalez hatte den Brief mit “gewählter Präsident” unterzeichnet.
Die Fronten zwischen Regierung und Opposition sind gut eine Woche nach Bekanntgabe des umstrittenen Wahlergebnisses verhärtet. Während sich das Regime des sozialistischen Machthabers Nicolas Maduro weiter als Sieger bezeichnet, verweist die Opposition auf Erkenntnisse unabhängiger Beobachter, die einen klaren Wahlsieg von Gonzalez für wahrscheinlicher halten.
Venezuelas Wahlbehörde hatte Maduro zum Wahlsieger erklärt. Laut offiziellen Angaben entfielen auf ihn 51,1 Prozent der Stimmen, Gonzalez kam demnach auf 41,2 Prozent der Stimmen. Umfragen im Vorfeld sowie Nachwahlbefragungen ergaben dagegen einen deutlichen Vorsprung für Gonzalez. Die USA, die EU und zahlreiche lateinamerikanische Länder erkennen das offizielle Ergebnis nicht an und fordern eine unabhängige Auszählung der Stimmen.
Inzwischen mehren sich in Lateinamerika die Stimmen aus Reihen ehemaliger Unterstützer Maduros, die sich vom Amtsinhaber distanzieren. Estela de Carlotto, argentinische Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation “Großmütter der Plaza de Mayo” erklärte, Maduro beleidige mit seinem Verhalten das politische Erbe seines Vorgängers Hugo Chavez. Ähnlich hatte sich tags zuvor die ehemalige argentinische Präsidentin Cristina Kirchner geäußert. Sie forderte Maduro auf, die Wahlunterlagen mitsamt den genauen Ergebnissen zu veröffentlichen. Das ist auch zehn Tage nach der Wahl noch nicht passiert.
Derweil riefen 30 ehemalige iberoamerikanische Präsidenten den brasilianischen Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva auf, stärker für Demokratie in Venezuela einzutreten. Lula ist Mitinitiator einer Verhandlungsinitiative der drei links regierten Länder Brasilien, Kolumbien und Mexiko. Am Wochenende rief er die Konfliktparteien in Venezuela zum Dialog auf. Ob die Initiative fruchtet, ist indes ungewiss.
In der Dominikanischen Republik kündigte Präsident Luis Abinader an, dass sein Land auch jenen Exil-Venezolanern eine Arbeitsgenehmigung erteilen werde, deren Papiere abgelaufen seien. Für im Ausland lebende Venezolaner ist es derzeit schwierig, an gültige Reisepässe zu gelangen oder Dokumente verlängern zu lassen.