Ende des Jahres scheidet er aus seinem Amt aus. UN-Flüchtlingskommissar Grandi findet es auch nach zehn Jahren schwer, Migrationsbewegungen zu verstehen. Deshalb warnt der vor voreiligen Maßnahmen.
Der Chef der UN-Flüchtlingsorganisaton UNHCR, Filippo Grandi, warnt davor, Syrer jetzt schon in ihre Heimat zurückzudrängen. “Die Syrer sind das Assad-Regime losgeworden. Aber die neue Regierung ist unerfahren, die Lage fragil”, sagte Grandi der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Samstag). “Hunderttausende sind zurückgekehrt, vor allem Binnenvertriebene. Aus Europa aber noch kaum jemand, weil ihre Situation hier besser ist. Man sollte sie noch nicht zu einer Rückkehr drängen, das schafft neue Probleme. Erst sollte man in Syrien investieren.”
Kürzlich habe er in der syrischen Stadt Daraa eine Frau getroffen, deren Familie durch den Krieg zerrissen wurde. Ihr dringendster Wunsch sei es gewesen, sich wieder eine eigene berufliche Zukunft als Köchin aufzubauen. “Wir sollten Hilfe neu denken: als Investment, nicht als Wohltätigkeit”, sagte Grandi. “Die Frau braucht einen Kühlschrank, kein Geld. So muss sie das Essen für ihr Geschäft nicht jeden Tag aufs Neue zubereiten.”
Der Hohe Flüchtlingskommissar kritisierte Verschärfungen des Familiennachzugs bei bestimmten Flüchtlingsgruppen. Syrische Flüchtlinge müssten teilweise noch lange bleiben. “Ohne Familie fällt Integration schwer. Ich sage: Seid pragmatisch, seid flexibel.”
Am Freitagvormittag hat der Bundestag mit großer Mehrheit einer Aussetzung des Familiennachzugs für Angehörige von in Deutschland lebenden Flüchtlingen mit subsidiärem – also temporärem – Schutz für zwei Jahre zugestimmt. Das betrifft insbesondere syrische Flüchtlinge. Grandi äußerte sich auch zum Entschluss der Bundesregierung, sich vorerst nicht mehr am UNHCR-Resettlement-Programm zu beteiligen, bei dem besonders schutzbedürftige Menschen umverteilt werden. “Das besorgt mich”, sagte Grandi der Zeitung. “Es wäre schön, wenn Deutschland wenigstens noch ein paar Flüchtlinge auf diesem Wege aufnehmen könnte. Solche etwa, nur ein Beispiel, die aufgrund ihrer Homosexualität in dem Land, in dem sie sich aufhalten, nicht sicher sind.”