Lange Wartezeiten auf einen Arzttermin oder Engpässe bei Medikamenten: Immer mehr Bürger verlieren offenbar das Vertrauen in das Gesundheitssystem.
Das Vertrauen der Bundesbürger ins Gesundheitssystem sinkt einer Umfrage zufolge rapide. Jeder zweite ist überzeugt, dass die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems erodiert. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung des Demoskopischen Instituts Allensbach im Auftrag der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Donnerstag). Zwar hält die große Mehrheit den bisherigen Status quo für (noch) zufriedenstellend; innerhalb von nur zwei Jahren ging dieser Anteil jedoch von 81 auf 67 Prozent zurück.
Dass sich die Versorgung langfristig verschlechtere, befürchte die Bevölkerung schon seit langem, schreibt die Zeitung. Nun erlebe sie diese Entwicklung aber hautnah. 40 Prozent der Befragten ziehen demnach die Bilanz, dass sie in den vergangenen zwei, drei Jahren schlechtere Erfahrungen mit der ärztlichen Versorgung gemacht hätten als zuvor; nur sieben Prozent berichteten von besseren Erfahrungen. Damit hat sich die Bilanz der persönlichen Erfahrungen seit 2019 drastisch verschlechtert.
Grund für diese Entwicklungen sind laut Zeitung vor allem Erfahrungen mit Engpässen und Mangelsituationen. 77 Prozent der Bevölkerung hätten in den vergangenen Jahren persönlich oder bei einem Familienmitglied erlebt, dass lange Wartezeiten auf einen Arzttermin in Kauf genommen werden mussten, 54 Prozent, dass ein Medikament nicht verfügbar gewesen sei. 43 Prozent hätten erlebt, dass es schwierig war, einen Arzt zu finden, bei dem man überhaupt als Patient aufgenommen wurde.
Diese letzte Erfahrung beeinflusse das Vertrauen in das Gesundheitssystem mehr als alles andere, schreibt die Zeitung. Von teilweise längeren Wartezeiten auf einen Arzttermin und Medikamentenengpässen berichtet demnach auch die Mehrheit derjenigen, deren Vertrauen in die Versorgung ungebrochen ist. Von ihnen habe jedoch nur eine Minderheit die Erfahrung gemacht, dass es schwierig war, überhaupt als Patient angenommen zu werden, dagegen 63 Prozent derjenigen, die dem System nicht mehr vertrauen.
In den schwächeren sozialen Schichten erhält das Vertrauen laut Bericht häufiger auch einen Schlag, wenn die eigene Krankenkasse den Leistungskatalog einschränkt. Die große Mehrheit sei zwar schon seit Jahren überzeugt, dass die Beiträge für die Krankenversicherung steigen, verstärkt Zuzahlungen fällig und Leistungen verringert würden. Die schwächeren sozialen Schichten fürchteten dies aufgrund ihrer geringeren finanziellen Spielräume jedoch weitaus mehr als die mittleren und höheren Schichten.
Für die Umfrage wurden im Juli 1.003 Bürger mündlich-persönlich befragt. Zu ähnlich negativen Ergebnissen war im Frühjahr 2023 auch eine Umfrage der Bosch-Stiftung gekommen: Damals geben fast 60 Prozent der Befragten an, wenig oder kein Vertrauen mehr in die Fähigkeit der Politik zu haben, für eine hochwertige und zugleich bezahlbare Gesundheitsversorgung zu sorgen. 2020 waren es noch 30 Prozent.