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Ulrich Wickert: Habe als Journalist nie Gefühl von Macht gespürt

Vor seiner Zeit als “Tagesthemen”-Moderator war Ulrich Wickert lange Paris-Korrespondent für die ARD. Wie der 83-Jährige die Zeit in Erinnerung hat und welche Glücksmomente er erleben durfte.

Ulrich Wickert (83), Journalist und Autor, ist sich seiner Grenzen als Medienmensch bewusst. “Es gab den einen oder anderen Fall, bei dem das, was man berichtete, zu Konsequenzen führte”, erklärte Wickert der “Süddeutschen Zeitung”. Aber er habe dabei nie ein Gefühl von Macht gespürt. “Ich bin der Meinung, die Aufgabe des Journalisten ist es, aufzuklären.” Wickert war lange Jahre ARD-Korrespondent in Paris. Von 1991 bis 2006 präsentierte er als Hauptmoderator die “Tagesthemen”.

Als Journalist habe er sein Privatleben immer zurückgestellt, sagte Wickert. “Das reut mich nicht, weil es ja immer wichtige Dinge waren. Also zum Beispiel bekomme ich einen Anruf von meinem Spion beim deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher – man muss ja immer Bescheid wissen.” Kurz vor dem Durchbruch bei der deutschen Einheit habe Genscher an dem berühmten Treffen im Kaukasus teilgenommen, erzählte der Journalist. Von dort aus sei der FDP-Politiker nach Paris geflogen, um mit seinem französischen Kollegen Roland Dumas die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen vorzubereiten.

Wickert hat eigenen Worten zufolge damals von seinem Informanten erfahren, dass Genscher um Mitternacht im Hotel Bristol ankommt. “Wo sitze ich um Mitternacht? Natürlich im Hotel Bristol.” Genscher sei mit seiner Entourage angekommen und diese sei froh gewesen, den Journalisten zu sehen: “Wie schön, der Wickert sitzt da, der trinkt noch was mit ihm, wir können ins Bett gehen. Und Genscher sagt: Ah, Herr Wickert, trinken wir noch Bier zusammen! Und hat mir dann alles vom Kaukasus erzählt.”

Auf die Frage, ob dies Journalistenglück sei, erklärte Wickert: “Glück ist, wenn man zufrieden ist. Das kann eine ganz kleine Geschichte sein, die einem so gelingt, dass man sagt: Wie schön.” Journalistenglück könne aber auch mit einem guten Essen zu tun haben. So habe er im Élysée-Palast einmal an einem Staatsdinner mit dem israelischen Staatspräsidenten teilnehmen können. Nach dem Essen sei die Chansonnière Barbara aufgetreten und habe das politische Lied “Göttingen” gesungen. Dieses handle von der Versöhnung mit den Deutschen. Das sei ein Moment gewesen, wo er glücklich gewesen sei, diesen erlebt zu haben, so der 83-Jährige.