Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht in den Wahlerfolgen der AfD bei der Jugend vor allem ein Versagen von Elternhäusern und Schulen. Die AfD habe medial und kommunikativ einen dramatischen Einfluss auf die Jugend, insbesondere im Internet, sagte Thierse dem „Tagesspiegel“ (Dienstag). Es helfe nicht, dafür allein den anderen Parteien die Schuld zuzuschieben.
„Die Parteien haben im Osten wenige Mitglieder, sie sind nicht überall präsent“, sagte Thierse: „Ich frage mich eher: Was ist in der Erziehung in Elternhäusern und Schulen schiefgelaufen? Die politische Bildung und die Aufklärung, wie Demokratie funktioniert, hat hier versagt.“ Bei der Brandenburg-Wahl hatten am Sonntag 32 Prozent der wahlberechtigten 16- bis 24-Jährigen ihr Kreuz bei der AfD gemacht.
Die AfD in ihrer jetzigen Verfassung nennt der heute 80-jährige Sozialdemokrat einen „Frontalangriff auf die Demokratie“. AfD und auch BSW setzten allein auf Emotionen und würden Ressentiments schüren.
Brandenburg zum Beispiel habe ein größeres Wirtschaftswachstum als Bayern und steigende Einkommen. „Aber diese Realität wird von den Leuten nicht wahrgenommen, wenn ihnen übers Internet oder asoziale Kommunikationsmittel permanent mitgeteilt wird: Alles ist furchtbar“, beklagte Thierse.
Auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land würden ins Negative aufgebauscht: „In der Lausitz schaffen wir Ersatzarbeitsplätze für den Bergbau, aber so etwas dauert eben Jahre. Die Populisten setzen hier auf apokalyptische Kommunikation. AfD und BSW versprechen wahre Wunder, die sie nicht einlösen müssen.“