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Theologe: Beschluss zu Homosexuellen-Segnung raffinierter Kniff

Mit seiner Erlaubnis für eine Segnung homosexueller und wiederverheirateter Paare hat der Vatikan nach Einschätzung des Theologen Benedikt Kranemann einen “ganz raffinierten Kniff” gefunden. “Einerseits ermöglicht man eine Öffnung und macht ein Zugeständnis, andererseits nimmt man keine Veränderungen an der Lehre vor, die weiter etwa Sexualität zwischen homosexuellen Paaren als Sünde einstuft”, sagte der in Erfurt lehrende Liturgie-Professor am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

“Auf der einen Seite haben wir einen sehr weitgehenden Schritt des Vatikan – man lässt eine Segnung zu, von der Rom noch vor Kurzem sagte, sie sei nicht möglich”, erläuterte Kranemann. “Auf der anderen Seite bleibt man, was die liturgische Ausgestaltung und die Konsequenzen für die Lehre angeht, extrem zurückhaltend. Die Sexual- und Morallehre bleibt davon unberührt.”

Das Papier legt laut Kranemann größten Wert darauf, dass der Unterschied zwischen dem Ehe-Sakrament und der Segnung klar erkennbar sein müsse. “Ich verstehe den Text so, dass die Segenshandlung ein relativ spontanes Tun sein soll, ein kurzes Gebet mit anschließendem Segen. Eine möglichst schlichte, einfache Geste, mit der das Gottvertrauen des Paares gestärkt wird.”

Auf keinen Fall solle das Ganze in einem liturgischen Rahmen stattfinden. Also nicht in einem Wortgottesdienst beispielsweise und keinesfalls in einer Messe. “Laut Papier sind solche spontanen Segnungen im Rahmen etwa von Wallfahrten möglich, oder wenn man einem Priester auf der Straße begegne oder spontan nach dem Gottesdienst zu ihm gehe – das scheint mir allerdings recht realitätsfremd”, so Kranemann. “Zugespitzt formuliert sagt der Vatikan: Segen ja, Feier nein. Ob das Paaren, die sich solch eine Segnung wünschen, angemessen ist, da habe ich Zweifel.”

Zugleich betonte der Theologe, eine Schwäche des Papiers sei auch seine Stärke: “Nämlich, dass es bei vielen Dingen sehr unkonkret bleibt. Es legt die Segnungen nicht auf eine bestimmte Form fest und lässt vieles offen. Damit gibt es in der Praxis viel Handlungsspielraum. Und die Bischöfe werden nicht festgelegt, gegen Bestimmtes vorzugehen. Das ist eine Chance des Ganzen.” Er erwarte weiter Debatten über das Thema, gerade auch mit Blick auf die Weltkirche, vor allem in konservativeren Bistümern etwa in Osteuropa.

Kritisch sieht Kranemann, dass das Papier nicht differenziere zwischen homosexuellen Paaren und Paaren in “irregulären Situationen”, gemeint seien damit wohl wiederverheiratete Geschiedene. “Das kann von gleichgeschlechtlichen Paaren schon als Affront, als Gleichsetzung von Homosexualität und sogenanntem Irregulärem betrachtet werden.” Zudem warnte Kranemann davor, zwei sehr unterschiedliche pastorale Situationen miteinander zu vermischen.