Auffällig viele junge Frauen haben am Sonntagmorgen vor der Heidelberger Heiliggeistkirche gestanden und auf Einlass gewartet. Sie wollten gemeinsam mit anderen 1.200 Menschen an zwei Taylor-Swift-Gottesdiensten teilnehmen, auch wenn die US-Sängerin selbst nicht da ist. Nachdem Medien bundesweit berichtet hatten, waren die kostenlosen Eintrittskarten schnell vergeben.
In der Schlange wartet auch die 24-jährige Klara aus dem hessischen Viernheim. Sie ist ein „Swiftie“, wie sich Taylor-Swift-Fan selbst nennen, und sei verzweifelt, weil ihre Karte scheinbar ungültig sei. Zur Hilfe kam ihr ein Heidelberger Ehepaar und schenkte ihr spontan eine Karte, „weil der Sohn nicht mitgekommen ist“.
Taylor-Swift-Gottesdienst: von wegen Event!
Die Veranstaltung sei kein Konzert oder Event, sondern ein Gottesdienst, bei dem es um die Spiritualität des US-Megastars Taylor Swift gehe, sagt Citykirchenpfarrer Vincenzo Petracca in dem evangelischen Gottesdienst zum Thema „Anti-Hero“ – auch wenn das 600 Jahre alte Gotteshaus „für Gregorianik geschaffen wurde, und nicht für Taylor Swift“.
Swift sei im sogenannten US-amerikanischen Bibelgürtel aufgewachsen, dies habe sie religiös geprägt. Deshalb verwende sie christliche Sprache und Motive in ihren Liedern, auch in ihrem vor wenigen Wochen erschienenen Album „The Tortured Poets Department“. Taylor Swift sei eine bekennende Christin: „Ihr Glaube kennt Zweifel und Zerrissenheit“, erläuterte der evangelische Pfarrer.
Swift verstehe ihr Christentum politisch. So trete sie für die Rechte von Frauen und queeren Menschen ein und spreche sich gegen Diskriminierung und Rassismus aus. Deshalb werde sie in evangelikalen Kreisen angefeindet, „manche verteufeln sie gar“, so Petracca.
Taylor-Swift-Song zum Muttertag
Die Sängerin kritisiere einen „heuchlerischen Glauben“, dem Dogmen wichtiger seien als Menschlichkeit und Nächstenliebe. „Theologisch gesprochen, verweist sie auf die Gerechtigkeit Gottes. Glaube und Tun sind bei ihr untrennbar verbunden“, erklärte Petracca. Ihre Songs handelten auch von Fragen und Zweifeln. Am Muttertag erinnerte er an Swifts Lied „Soon You’ll Get Better“ (Bald wird es dir besser gehen), das diese für ihre krebskranke Mutter geschrieben hatte. Darin heißt es: „Verzweifelte Menschen finden Kraft im Glauben, deshalb bete ich jetzt auch zu Jesus.“
Sechs Stücke der Pop-Ikone wurden von der Hamburger Sängerin Tine Wiechmann, die bis vor kurzem Professorin für Pop-Kirchenmusik an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg war, und ihrer Band interpretiert.
Fans singen berührt mit
Berührt sangen einige Fans die Lieder mit. „Es war mega“, schwärmten einige junge Frauen später und fotografierten sich vor der Kirche. „Ich hatte tatsächlich Tränen in den Augen“, sagte Nadja Quast, die eine Karte in der ersten Reihe beim Rundfunksender SWR-DasDing gewonnen hatte: „Die Lieder rühren total an Emotionen.“ Solche Gottesdienste würde sie sich öfter wünschen.
Die Gottesdienstreihe „Citykirche Rock ‘n’ Pop“ gibt es seit 2015. Im Juni planen die Organisatoren in der 600 Jahre alten Kirche einen Streetdance-Gottesdienst und den Tanzwettbewerb „Church Battle“ mit Gästen aus ganz Europa.