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Tatort Wittenberg

Zum 500. Reformationsjubiläum entdecken Romanautoren Luther für sich. Schriftstellerin Daniela Wander aus Düsseldorf verstrickt den Reformator und Katharina von Bora gar in einen Mordfall

epd

Die Nonnen sind in heller Aufregung. Nach der gefährlichen Flucht aus dem Kloster wähnten sich die abtrünnigen Ordensschwestern um Katharina von Bora gerade in Sicherheit beim Reformator Martin Luther in Wittenberg. Doch dann stellen sie fest, dass zwei Schwestern fehlen: Eine von ihnen wird tot in einer Baugrube gefunden, die andere bleibt verschwunden. Wurde auch sie Opfer eines Verbrechens?
Schützenmeister Burkhardt Gantzer nimmt in dem Kriminalroman „Tod in Wittenberg“ von Daniela Wander die Ermittlungen auf – mit ungebetener Hilfe der aufmüpfigen Wittenbergerinnen Katharina und Marga. Der Roman, der im vergangenen Jahr im Emons Verlag erschien, ist bereits Wanders zweiter Luther-Krimi.

Luther ein Thema in allen literarischen Bereichen

Die Reformationszeit mit ihren gesellschaftlichen Umbrüchen sieht die Düsseldorfer Autorin als idealen Hintergrund für ihre historischen Krimis, denn: „Gute Geschichten siedelt man in konfliktreichen Zeiten an.“ In „Tod in Wittenberg“ verknüpft Wander geschichtliche Tatsachen wie die Flucht der Nonnen aus dem Kloster Marienthron in Nimbschen mit einem fiktiven Mordfall.
Luther ist im Jahr des 500. Reformationsjubiläums in allen literarischen Bereichen ein Thema, wie Renate Nolte, Geschäftsführerin der Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger, beobachtet. Viele Publikationen griffen dabei „tatsächlich die gesamte Zeit der Reformation auf“, fügte Nolte hinzu. „Durch das Reformationsjubiläum gab es definitiv eine Welle, schon in den vergangenen Jahren.“ Zur Leipziger Buchmesse Ende März erschienen nun weitere Titel: nicht nur Biographien und Sachbücher, sondern auch Romane für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Längst haben neben evangelischen Verlagen auch katholische und weltliche Verlagshäuser Luther-Titel im Programm.
Die Bandbreite der neuen Bücher reicht von Feridun Zaimoglus Luther-Roman „Evangelio“ bis hin zur Graphic Novel „Luther. Der Mönch, der die Welt aus den Angeln hob“ von Rich Melheim, Sherwin Schwartzrock und Jonathan Koelsch. Bereits im vergangenen Herbst erschienen etwa „Sturm in den Himmel“ von Asta Scheib über die Kindheit und Jugend Luthers und „Als der Himmel zerriss“ von Stephanie Rapp über die Auswirkungen der Reformation im Irland des 19. Jahrhunderts.
Die Themen und Blickwinkel der Romane seien völlig unterschiedlich, sagt Nolte. „Jemanden wie Luther, der so viel veröffentlicht hat, kann man von ganz verschiedenen Seiten zeigen.“ Nicht immer sei Luther die Hauptperson, manche Bücher stellten auch andere Reformatoren wie etwa Thomas Müntzer, die Frauen der Reformation oder unbekannte Zeitgenossen in den Mittelpunkt.
Auch in Daniela Wanders Kriminalroman ist nicht Martin Luther die Hauptfigur, sondern die fiktive Wittenberger Bürgerin Katharina. Luther tritt eher selten auf und kümmert sich vor allem darum, dass die Nonnen nach ihrer Flucht aus dem Kloster verheiratet werden.
Wander legt zwar Wert darauf, Einstellungen des Reformators etwa zum Klosterleben richtig wiederzugeben. Aber ihr Hauptziel sei ein anderes: „Ich finde es interessant, Wissen in einer leicht lesbaren Form zu transportieren“, sagt die Autorin. Schon immer habe sie dabei das Alltagsleben mehr interessiert als die hehren politischen Prozesse.
Nach zwei Reformationskrimis – der Vorgänger von „Tod in Wittenberg“, „Aufruhr in Wittenberg“, erschien 2015 – widmet sich Wander derzeit einem anderen Projekt. Dass sie in Zukunft erneut in die Reformationszeit abtaucht, sei aber gut möglich, sagt die Schriftstellerin.
Denn es gibt noch viel zu erzählen: In „Tod in Wittenberg“ haben sich Martin Luther und Katharina von Bora gerade erst kennengelernt, eine Beziehung bahnt sich nur zwischen den Zeilen an. Nach der Hochzeit der beiden baut Katharina in Wittenberg eine Burse, ein Studentenwohnheim, auf. „In so einem Umfeld kann ich mir vorstellen, dass etwas Dramatisches passieren könnte“, sagt Wander. Luther bietet Stoff für Geschichten – auch über das Jubiäumsjahr 2017 hinaus.