SOEST – Der südwestfälischen Prostituiertenberatungsstelle „Tamar“ droht 2018 aus finanziellen Gründen das Aus. Über einen bereits im Mai beim NRW-Gesundheitsministerium gestellten Förderantrag sei bis heute nicht entschieden worden, erklärte die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen in Soest. Auch parallel gestellte Anträge auf eine anteilige Kostenbeteiligung der fünf Kreise in Südwestfalen sowie der Stadt Hamm hätten ebenfalls keinen Erfolg gebracht.
Bis September 2017 war die Arbeit von „Tamar“ den Angaben zufolge drei Jahre lang durch die „Aktion Mensch“ gefördert worden. Außerdem erhielt sie in dieser Zeit Landesmittel für die Aids-Prävention über die Aids-Hilfe NRW. Es sei ein „fatales Signal“, dass das einzige Hilfeangebot für Prostituierte in der Region Südwestfalen „scheinbar nach politischem Willen eingestellt werden“ solle, beklagte die Leiterin der Einrichtung, Pfarrerin Birgit Reiche. Dabei machten die Einführung des neuen Prostituiertenschutzgesetzes und der Zuwachs an Arbeitsmigrantinnen die Arbeit der Beratungsstelle dringend notwendig.
Ein Antrag von „Tamar“ auf eine Anschlussfinanzierung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sei unter anderem vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet in Aussicht gestellt worden; dazu liege aber noch kein Bescheid vor, hieß es weiter. Auch hätten fast alle Kreise in Südwestfalen negativ über die bei ihnen gestellten Anträge entschieden und ihrerseits auf andere Fördertöpfe oder das Land NRW verwiesen – mit der Begründung, dass die Verantwortung für ein überregionales Angebot nicht bei einem Kreis liegen könne.
Lediglich der Kreis Siegen-Wittgenstein hat laut der Mitteilung der Frauenhilfe die beantragten 40 000 Euro mit einem Sperrvermerk in den Haushalt eingestellt und will im März 2018 neu beraten. Insgesamt geht es demnach bei „Tamar“ um einen Jahresetat von 210 000 Euro. Der Betrieb der Einrichtung sei durch eine hohe Spendenbereitschaft der Bevölkerung und die Übernahme des Fehlbetrages durch die Frauenhilfe als Trägerin noch „wenigstens bis Februar“ gesichert.
Klientinnen von „Tamar“ sind den Angaben zufolge in erster Linie Frauen aus Osteuropa, die als Armutsmigrantinnen nach Deutschland kommen. Die Beratung erstrecke sich auf gesundheitliche und psychosoziale Fragen, Hilfe beim Umgang mit Behörden und Begleitung beim Ausstieg. Die Beraterinnen der Einrichtung hätten in den letzten drei Jahren durch Besuche in den Prostitutionsbetrieben Kontakt zu mehr als 1600 Frauen gehabt, so die Frauenhilfe. Die Arbeit von „Tamar“ sei umso wichtiger geworden, als das Prostituiertenschutzgesetz ausdrücklich die Einbeziehung einer nicht-behördlichen Anlaufstelle durch die örtlichen Behörden fordere.
Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes ist im Juli 2017 in Kraft getreten. Es verpflichtet Prostituierte unter anderem, ihre Tätigkeit persönlich oder unter einem Alias-Namen anzumelden, eine jährliche Gesundheitsberatung wahrzunehmen und Behörden den Zutritt zu den Geschäftsräumen zu gewähren. Zuhälter brauchen ab sofort eine behördliche Erlaubnis, wenn sie ihr Gewerbe anmelden. Freiern ist nun die Benutzung von Kondomen vorgeschrieben. epd
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„Tamar“ droht das Aus
Die Frauenhilfe fürchtet um die Finanzierung ihrer Beratungsstelle für Prostituierte in Südwestfalen