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Suchet im Netz, so werdet ihr finden

Suchmaschinen sind unverzichtbar. „Stellen Sie sich das Internet ohne Suchmaschinen vor“, sagt Thomas Hoppe, Projektleiter bei Fraunhofer Fokus in Berlin: „Das ist wie eine mehrgeschossige Bibliothek ohne Index, und die Bücher stehen alle völlig durcheinander.“ Hoppe beschäftigt sich seit knapp drei Jahrzehnten mit Suchmaschinen, hat bei Springer ein Fachbuch zum Thema „Semantische Suche“ veröffentlicht.

Marktführer für die Suche in öffentlich zugänglichen Quellen ist eindeutig Google. Dass ein Herausforderer diesen Platzhirsch vom Thron stoßen wird, glaubt Hoppe nicht: „Dafür ist der Zug abgefahren.“ Dabei sei Google eigentlich gar nicht als Suchmaschine zu bezeichnen. „Google ist eine Werbemaschine.“ Wie gefährlich das bei der Auswahl von Suchergebnissen sein kann, erläutert David Klotz, Professor an der Hochschule der Medien Stuttgart: Suche etwa jemand mit Ernährungsstörungen mit entsprechenden Begriffen, könne ihn die Suchmaschine auf Hilfsangebote verweisen – oder sie könne ihm Abnehmpillen und Kleidung in Minimalgrößen anbieten und den gefährlichen Trend damit verstärken.

Suchmaschinen müssten eine enorme Bandbreite abdecken, sagt Hoppe. Sie kennen aber zuerst nur die Anfrage. Gelte „Einbruch“ einem Diebstahl oder der Dicke der Eisschicht? Suchmaschinen legten daher Benutzerprofile an, auch ohne Anmeldung und jenseits der Cookies, die sich vom Nutzer beim Schließen des Browsers leicht automatisch löschen lassen. Das führe mit der Zeit bei jedem Suchenden zu einer gewissen Verzerrung. Wie schnell sich Empfehlungen ändern, kann ein Nutzer bei der Google-Tochter YouTube genau beobachten, wenn er einmal für ihn ungewohnte Suchbegriffe verwendet.

„Statistiken haben gezeigt, dass die Nutzer sehr wenige Suchbegriffe verwenden“, sagt Hoppe. Verknüpfungen, etwa mit OR für „oder“, oder ein Ausschließen von Begriffen mit einem direkt vorangestellten Minuszeichen würden kaum benutzt. Das gelte auch für Anführungszeichen, um eine genaue Formulierung einzuschließen: „Der durchschnittliche Nutzer kennt diese Möglichkeiten kaum.“

Es muss nicht unbedingt die direkte Eingabe der Operatoren ins Suchfeld sein. Google bietet eine umfassende, aber zuerst nicht sichtbare Suchmaske für die erweiterte Suche. Wo sie zu finden ist, liegt im Wesentlichen am Browser. Dort lässt sich unter anderem nur eine bestimmte Website durchsuchen, was sehr praktisch ist, falls diese Website keine eigene Suchfunktion bietet. Dies ginge natürlich auch durch eine direkte Eingabe von „site:“ (ohne Anführungszeichen und ohne Leerzeichen nach dem Doppelpunkt). Die Qualität der Treffer hängt aber sehr stark von der jeweiligen Website ab.

Die meisten Nutzer, sagt Hoppe, kämen nicht über die erste Trefferseite hinaus. „Die dritte Seite sehen nur noch fünf Prozent der Leute an.“ Ebenso unüblich sei, eine Suche immer mehr zu verfeinern, indem unerwünschte Treffer aussortiert werden. „Notwendig wäre eine Grundausbildung in der Internetrecherche“, sagt Hoppe. Oft sei die Sprachkompetenz entscheidend, etwa weil eine gezielte Suche nach Fachbegriffen verlange. Manchmal helfe auch der Griff zum Synonymwörterbuch, wenn der Klempner in anderen Regionen Spengler heißt. Nötig sei auch immer das Bewusstsein, dass Suchmaschinen immer nur eine Teilmenge der weltweiten Dokumente bieten.

Was ist mit Meta-Suchmaschinen wie MetaGer, die Treffer mehrerer Suchmaschinen versammeln? Sie seien vor 20 Jahren sinnvoll gewesen, als verschiedene Suchmaschinen zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, sagt Hoppe. Heute eher nicht mehr: „Google grast alles ab, was weltweit zugänglich ist.“ Klotz ist derselben Auffassung: „Dieser Markt hat sich von selbst aufgelöst.“ Dafür sieht Hoppe ein neues großes Problem heranrollen, es sind per KI künstlich erzeugte Inhalte. Angebote wie ChatGPT neigten zu Halluzinationen und enthielten gut klingende Falschinformationen. „Wenn diese ihren Weg in die Suchmaschinen finden, wird eine Suche womöglich nicht mehr nützlich sein.“

Wer Google als Datenkrake betrachtet und meiden will, kann auf andere Suchmaschinen ausweichen, die einen besseren Datenschutz versprechen, etwa Swisscows. Mit ihren strengen Filtern ist sie zudem familienfreundlich. „Ich bin vor zwei Jahren auf DuckDuckGo umgestiegen“, sagt Klotz. Diese Suchmaschine sei nach seiner Erfahrung allerdings auf Deutsch weniger aktuell als Google. Was den Datenschutz angeht, rät er zu einem durchgehenden Verhalten: „Wir haben da oft kognitive Dissonanzen. Einerseits herrscht die Angst vor Verfolgung – aber sobald zu Weihnachten eine Bratpfanne lockt, geben wir alles preis.“ (2662/08.11.2023)