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Stunden„lohn“ 15 Cent für die Näherin

Mit den nach wie vor unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Näherinnen in den Fabriken in Bangladesch und anderen Billiglohn-Ländern der Welt befasste sich eine zweitägige Konferenz der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen

epd

„Wir müssen über unseren Konsum nachdenken, und zwar egal, ob wir  bei  Primark oder in der teuren Boutique einkaufen“, stellte eine Frau betroffen fest.  Produziert werde die Ware häufig in den gleichen Weltmarktfabriken, hatte sie soeben erfahren. „Wir sollten aus ökologischen Gründen weniger Kleidung kaufen und sie länger tragen“, meinte eine andere Teilnehmerin. „Secondhandläden, Kleidertauschbörsen und das Verschenken von guter  Kleidung an Freundinnen ist allemal besser, als die Mülltonne“, unterstrich eine andere. „Und wenn immer mehr Menschen sich in den Geschäften nach den Produktionsbedingungen informieren, faire Label  fordern und sich an Kampagnen  beteiligen, ändert sich auch etwas“, war das Fazit einer anderen.

Am 24. April vor fünf Jahren kamen beim Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch über 1100 Textilarbeiterinnen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt. Dem Jahrestag dieser Tragödie widmete sich nicht nur das diesjährige Gottesdienst-Material der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V. zum Judika-Sonntag. Es trägt den Titel „Gott hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet“ (Jesaja 61, 1-4.8-11). Diese Katastrophe war auch Grund dafür, dass sich 40 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen aus den Vorständen der Frauenhilfen auf kreiskirchlicher Ebene in einer zweitägigen Konferenz im April in Soest erneut mit den Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie beschäftigten.

Hungerlöhne und extrem lange Arbeitszeiten

„Ich bin schick und Du musst schuften“ – unter diesem Konferenztitel referierte Maik Pflaum von der „Christlichen Initiative Romero“ in Münster über Geschichte und aktuelle Themen der „Kampagne für saubere Kleidung“ (CCC). Schon 1998 hat sich der Frauenverband der „Kampagne für saubere Kleidung“ angeschlossen und für einige Jahre aktiv im Trägerinnenkreis mitgearbeitet. Seitdem verfolgt er die Entwicklungen und nimmt immer wieder einzelne Themen in seine politische Arbeit auf.
Besondere Highlights zu Beginn der Kampagne waren die Aktionen anlässlich der Winter- und Sommerschlussverkäufe. Mit Infoständen wurde auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht. Erste Gespräche mit Textilunternehmen wie Otto, adidas, Steilmann und C&A fanden statt. 2000 startete dann die Kampagne „Fit for fair“, bei der die Sportartikelhersteller im Fokus standen. Seit 2005 beschäftigt sich die Kampagne auch mit dem Thema ökofaire öffentliche Beschaffung. Die Discounter und Arbeitsbekleidungsunternehmen standen in den Jahren 2010 bis 2014 im besonderen Fokus der Kampagne.
„Es gibt noch viel zu tun“, fasste Maik Pflaum die Situation zusammen. Im Laufe ihrer nun 22-jährigen Geschichte konnte die deutsche Kampagne eine Vielzahl von Erfolgen miterkämpfen. Unrechtmäßige Kündigungen von Gewerkschaftsmitgliedern müssen zurückgenommen, Entschädigungsfonds eingerichtet, ausstehende Löhne gezahlt werden. Doch leider gäbe es nach wie vor keine strukturellen Verbesserungen im Arbeitsalltag der Näherinnen. „Nach wie vor gibt es Hungerlöhne, nach wie vor gibt es marode Textilfabriken, nach wie vor gibt es extrem lange Arbeitszeiten“, so Pflaum. In Myanmar liegt der Mindestlohn bei nur 2,50 Euro am Tag, der Monatslohn in Äthiopien bei 33 Euro.
Der Dokumentarfilm „Der Preis der Mode“ aus dem Jahr 2015 zeigte auf, wie notwendig auch heute noch das Streiten für gerechte Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie ist und welche ökologischen Auswirkungen die Produktionsbedingungen weltweit haben. 7000 Liter  Wasser werden beispielsweise verbraucht, um eine einzige Jeans herzustellen: Auf den Baumwollfeldern, in den Färbereien, in den Verarbeitungsfirmen. Wasser, das hinterher vergiftet ist von den vielen Chemikalien.
Sportliche Megaevents, internationale Modeschauen, europaweite Initiativen zur Unternehmensverantwortung und anderes mehr waren und sind Anlässe für bundesweite Aktionen der Kampagne. Anlässe sind aber auch immer wieder schreckliche Unfälle in den Textilfabriken. „Die Katastrophen ziehen sich durch die gesamte Geschichte der Kampagne“, verdeutlichte der Referent. „Immer wieder mussten Forderungen formuliert und die betroffenen Unternehmen angeprangert werden.“ Ein rigider Konsumverzicht oder Boykott helfe jedoch den Arbeiterinnen und Arbeitern in den Fabriken nicht, stellte Maik Pflaum richtig.
Mit der Bibelarbeit von Pfarrerin Angelika Weigt-Blätgen wurden die Kleiderfragen in biblischer Zeit beleuchtet. Anschließend wurden Verabredungen getroffen, wie die Teilnehmerinnen im persönlichen und gemeindlichen Umfeld aktiv, sich politisch engagieren und Arbeitsrechtsorganisationen unterstützt werden können.