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Studie: Über zwei Drittel hatten schon Berührung mit Depressionen

Über fünf Millionen Menschen sind hierzulande schon einmal an einer Depression erkrankt – einer Erkrankung, die die Familie mitbetrifft. Bislang werden Angehörige laut Fachleuten zu wenig in die Behandlung eingebunden.

Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland ist direkt oder indirekt von Depressionen betroffen: Zu diesem Ergebnis kommt das Deutschland-Barometer Depression, das die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention am Dienstag in Leipzig vorstellte. 24 Prozent seien selbst erkrankt, 26 Prozent als Angehörige mitbetroffen.

Rund drei Viertel der Angehörigen beschrieben die Erkrankung als große Belastung für das Familienleben. “Depression betrifft die ganze Familie”, sagte der Stiftungsvorsitzende Ulrich Hegerl. Daher sei es sinnvoll, Angehörige in die Behandlung einzubinden und zu informieren.

Nur ein knappes Drittel der Befragten (28 Prozent) gab demnach an, noch nie mit Depressionen in Berührung gekommen zu sein. Es gebe wirksame Behandlungsmöglichkeiten, aber auch zahlreiche Missverständnisse und “diagnostische und therapeutische Defizite”, mahnte Hegerl.

So überschätzten viele Menschen den Einfluss äußerer Faktoren, die zwar eine depressive Phase auslösen könnten, aber nicht deren Ursache seien. 94 Prozent schätzten jeweils Schicksalsschläge, Probleme in der Familie oder Stress als bedeutsam oder sehr bedeutsam für das Aufkommen einer Depression ein. Auch in Sozialen Medien kursierten entsprechende Vorstellungen.

Entscheidend sei jedoch die Veranlagung, erklärte der Experte. So hätten 34 Prozent der Befragten mit einer diagnostizierten Depression ebenfalls erkrankte Familienmitglieder; bei Befragten ohne diese Diagnose waren es 13 Prozent.

46 Prozent der befragten Erkrankten erklärten, die Familie gebe ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein. Bei 41 Prozent haben Familienmitglieder eine Veränderung bemerkt und die Betroffenen darauf angesprochen; 38 Prozent wurden von Angehörigen ermutigt, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Die Familie sei zudem für ein gutes Drittel (34 Prozent) eine Stütze bei der Bewältigung des Alltags. “Morgens aufstehen, den Geschirrspüler ausräumen oder einen Arzttermin vereinbaren – all diese Tätigkeiten können in der Depression die größte Herausforderung sein”, sagte Hegerl. Es sei wichtig zu wissen, dass Betroffene sich eben nicht gehen ließen, sondern dass ihnen krankheitsbedingt Antrieb und Hoffnung fehlten.

Häufig zögen sich depressiv erkrankte Menschen von anderen zurück, “weil ihnen alles zu viel wird”, sagte der Forscher. Dies könne zu Missverständnissen und Konflikten führen. Jede zweite Familie berichte jedoch im Rückblick, dass sich die Beziehung zueinander vertieft oder verfestigt habe.

Wenn jemand eine Behandlung zunächst ablehne, helfe nur Geduld, fügte Hegerl hinzu. Die Studie unter 5.000 Personen zwischen 18 und 69 Jahren umfasste den Angaben zufolge auch zwei offene Fragen. Auf die Frage, was Betroffenen am meisten geholfen habe, lautete die häufigste Antwort: “einfach da sein”. Als eher kontraproduktiv beschrieben es die meisten, wenn nahestehende Menschen die Depression nicht als Erkrankung betrachtet oder Druck ausgeübt hätten.