Die Mehrheit der Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland ist sich laut einer Studie einig: Das Schulsystem ist ungerecht. Zugleich sehen sich viele als visionäre Reformer – die ausgebremst werden.
Schulleitungen halten das deutsche Schulsystem einer Studie zufolge mehrheitlich für ungerecht. Gut zwei von drei Schulleitungen sehen sich zugleich selbst als “visionäre Reformer”, fast ebenso viele sind nach eigenen Angaben sogar bereit, rechtliche Vorgaben zu umgehen. Das geht aus der am Donnerstag veröffentlichen aktuellen “Cornelsen Schulleitungsstudie” hervor. Zugleich fühlen sich demnach 86 Prozent durch bürokratische Hürden in der Schulentwicklung ausgebremst. Sie fordern mehr Freiheiten, eine neue Form der Schulaufsicht und eine veränderte Lehrkräfteausbildung.
Für die den Angaben zufolge repräsentative Studie wurden rund 2.400 Schulleitungen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen online befragt. Zusätzlich führte das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie im Auftrag des Schulbuchverlags Cornelsen 24 vertiefende Einzelinterviews durch.
Der an der Studie beteiligte Bildungsforscher Klaus Hurrelmann sagte, Schulleiterinnen und Schulleiter wollten gestalten, hätten aber nicht die Bedingungen dafür. Es gebe Personalmangel und eine schwierige Gesundheitssituation bei Schülern und Lehrkräften. Weitere Herausforderungen seien absackende Leistungen und immer mehr Spaltungen, auch im politischen Bereich, in der Schülerschaft.
Hurrelmann forderte, dass die Schulpolitik Überregulierung abbauen und der einzelnen Schule mehr Autonomie geben müsse. Zudem solle sie die Rolle der Schulleitungen stärken und mit Teamstrukturen absichern. Auch müsse die Schulaufsicht modernisiert werden.
Rund zwei von drei Schulleitungen halten das deutsche Schulsystem laut der Studie für ungerecht. Rund acht von zehn finden, dass es Menschen zurücklasse. 82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass für mehr Lernerfolg verstärkt auf die Unterschiede in der Schülerschaft eingegangen werden müsse.
Mögliche Lösungen sehen die Schulleitungen unter anderem in einer zeitlich späteren Aufteilung der Schüler auf verschiedene Schulformen. Auch gebundene, also verpflichtende Ganztagsschulen sowie das sogenannte Startchancenprogramm für Schüler an besonders benachteiligten Schulen werden als positive Ansätze wahrgenommen.
Nach Angaben der Schulleitungen fehlen an jeder zweiten Schule Lehrkräfte. Nach diesem Personalmangel ist die Gesundheit das zweitgrößte Problem. Darüber hinaus berichten Schulleitungen davon, dass eine demokratische Schulgestaltung derzeit insbesondere durch gesellschaftliche Spannungen und wachsenden Rechtsextremismus erschwert werde.
Dazu sagte Hurrelmann, dass in eine moderne Schule alle Lebensbereiche hineingehörten, mit denen sich Schülerinnen und Schüler auseinandersetzten. Dies umfasse nicht nur Lernen und Bilden, sondern auch Bindungen, Kontakte, den Umgang mit Medien- und Freizeitangeboten und Partizipation. Die Beteiligung in der Schule sei besonders wichtig, etwa bei der Gestaltung von Unterricht. “Dieses Gefühl, dass man selbst Einfluss hat, ist das entscheidende, um demokratischen Boden zurückzugewinnen”, so der Bildungsforscher.