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Studie: Lehrer benoten Mädchen und Jungen nicht objektiv

Können Jungen besser rechnen als Mädchen? Und sind Mädchen besser in Sprachen? Eine Studie der Uni Halle-Wittenberg kommt zu dem Schluss, dass diese Beurteilung vor allem mit selbsterfüllender Prophezeiung zu tun hat.

Lehrerinnen und Lehrer beurteilen die Fähigkeiten von Mädchen im Bereich Sprache und von Jungen in Mathematik tendenziell besser, als es ihre Leistungen in objektiven Tests nahelegen. Zu diesem Schluss kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie eines internationalen Forschungsteams aus Deutschland, Großbritannien und den USA.

Die “verzerrten Urteile der Lehrkräfte” wirken sich demnach auch langfristig auf die Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen aus. Für die im Journal “Social Science Research” erschienene Untersuchung wurden Daten von 17.000 Kindern im Grundschulalter ausgewertet.

“Empirische Erhebungen wie die PISA- oder die IGLU-Studie zeigen, dass Mädchen besser beim Lesen abschneiden und Jungen in Mathematik. Über die Gründe ist bisher wenig bekannt”, sagte Studienautorin Melanie Olczyk vom Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).

Grundlage der Analysen war eine Beurteilung der Leistung der Schülerinnen und Schüler, die von den Lehrkräften zu Beginn der Grundschulzeit erfolgte. Die Beurteilung umfasste eine Bewertung der sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern. Im selben Zeitraum nahmen diese Kinder an Leistungstests teil, deren Ergebnisse dann mit den Lehrkrafturteilen verglichen wurden.

Die Forschenden konnten zeigen, dass die Beurteilung durch die Grundschullehrkräfte nicht vollständig auf die gemessenen Leistungen der Kinder zurückgeführt werden konnte. Dies deute darauf hin, dass die Urteile teilweise verzerrt seien. Zudem sei dies systematisch im Zusammenhang mit dem Geschlecht erfolgt.

“Im Bereich Sprache werden die Fähigkeiten der Mädchen eher überschätzt und die der Jungen unterschätzt, in der Mathematik ist es genau umgekehrt”, sagte Olczyk. Im Bereich Sprache war die Verzerrung in England am größten, bei der Mathematik in Deutschland. In den USA fielen die Unterschiede jeweils wesentlich geringer aus.

Darüber hinaus verglich das Team die Leistungen zu Beginn der Grundschulzeit mit denen am Ende der Grundschulzeit. Insgesamt vergrößerte sich der Vorsprung der Jungen in Mathematik und der der Mädchen im sprachlichen Bereich – lediglich in den USA verringerte sich das Gefälle bei den sprachlichen Leistungen. Dieser Unterschied in der Leistungsentwicklung zwischen Mädchen und Jungen sei “ein Indiz für das Bestehen selbsterfüllender Prophezeiungen”, hieß es.