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Patienten geben Milliarden Euro für Zusatzleistungen aus

Kassenpatienten geben einem Krankenkassen-Interessenverband zufolge für medizinische Zusatzleistungen deutlich mehr aus als bislang angenommen. Gesetzlich Versicherte zahlen für sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) jährlich insgesamt mindestens 2,4 Milliarden Euro, wie der Medizinische Dienst Bund am Dienstag in Essen und Berlin mitteilte. Bislang war der Dienst von einer bis anderthalb Milliarden Euro jährlich ausgegangen. Laut dem „IGeL Report 2024“ sind viele der ärztlichen Zusatzleistungen unnötig oder sogar schädlich.

Für den IGeL-Report 2024 hatte das Forsa-Institut im Auftrag des Medizinischen Dienstes mehr als 2.000 Versicherte zwischen 18 und 80 Jahren befragt. Der Medizinische Dienst Bund ist die Nachfolgeorganisation des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Er erlässt nach eigenen Angaben für die Tätigkeit der Medizinischen Dienste im Bereich der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Richtlinien und berät die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung auf Bundesebene.

Der IGeL-Report 2024 selbst nimmt 56 Zusatzleistungen in den Blick. In einem ausführlicheren „Monitor“ des Medizinischen Dienstes werden diese den Angaben nach wissenschaftlich bewertet, darunter auch die am häufigsten genutzten Leistungen. In der Befragung für den Report wurden insgesamt 134 verschiedene IGeL von den Versicherten genannt. Zwei davon hat der IGeL-Monitor wissenschaftlich mit „tendenziell positiv“ bewertet, zum Beispiel die Akupunktur zur Migränevorbeugung. 30 Zusatzleistungen stuft der Monitor allerdings als negativ oder tendenziell negativ ein. Beim Rest sind demnach Nutzen oder Schaden unklar.

Für den Report stützt sich der Medizinische Dienst auf Aussagen der Versicherten und beziffert in Hochrechnungen die Zahl der betreffenden Patienten und die von ihnen getätigten Ausgaben für bestimmte Zusatzleistungen. Der Report gibt nicht wieder, inwieweit im Einzelfall oder unter bestimmten Voraussetzungen aus medizinischen Gründen eine bestimmte Leistung sinnvoll oder nicht sinnvoll sein könnte.

Der Report listet unter anderem die zehn am häufigsten in Anspruch genommenen IGeL auf und berechnet, wie viel Geld pro Jahr damit in Deutschland umgesetzt wird. Bei den meisten dieser Leistungen handelt es sich um Früherkennungsuntersuchungen. Dazu zählen transvaginaler Ultraschall der Gebärmutter und der Eierstöcke, Auginnendruckmessung zur Glaukomfrüherkennung, Blutbild zur Gesundheitsvorsorge, Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, PSA-Bestimmung von Prostatakrebs und Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung.

Der Medizinische Dienst spricht davon, dass es etwa beim transvaginalen Ultraschall der Gebärmutter zu vielen falsch-positiven Ergebnissen komme, die zu weiteren Eingriffen führen könnten, die Patientinnen schädigten. Der Report konkretisiert dies allerdings nicht.

Laut dem Report nehmen Frauen IGeL stärker in Anspruch als Männer. 41 Prozent der befragten Frauen gaben an, im vergangenen Jahreszeitraum solche Angebote genutzt zu haben. Bei Männern waren es 22 Prozent. Nur gut ein Viertel der Befragten gab im Report an, gut informiert über IGeL zu sein. Hingegen antworteten rund zwei Drittel, dass sie davon ausgingen, dass diese Zusatzleistungen medizinisch notwendig seien.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, und die Stiftung Patientenschutz verlangten eine verbesserte Informationspflicht der niedergelassenen Ärzte.