Nach dem Anschlag von Solingen hat das nordrhein-westfälische Integrationsministerium strengere Vorgaben für die Ausländerbehörden bei Dublin-Abschiebungen aufgestellt. Damit solle die Erfolgsquote von Rücküberstellungen Asylsuchender erhöht werden, die bereits Anträge in anderen EU-Ländern gestellt haben, erklärte Flucht- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) am Mittwoch im Integrationsausschuss des Landtags. Die Regeln seien in einem neuen Erlass festgeschrieben. So soll zum Beispiel verstärkt geprüft werden, ob ausreisepflichtige Menschen in Haft genommen werden können.
Der abgelehnte Asylbewerber, der verdächtigt wird, am 23. August in Solingen drei Menschen getötet zu haben, sollte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden. Die Überstellung wurde laut Ministerium nicht umgesetzt, weil die Behörden den Mann am geplanten Termin nicht antrafen und keine weiteren Versuche unternommen wurden.
Laut Erlass vom 26. Februar müssen die kommunalen Unterbringungseinrichtungen Abwesenheiten von ausreisepflichtigen Personen an die Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) melden, wenn sie mehr als drei Tage weg sind. Diese Informationspflicht gelte auch, wenn die betroffenen Personen wieder auftauchen. Der mutmaßliche Angreifer von Solingen war laut Ministerium im April 2023 knapp eine Woche nicht in seiner Einrichtung. Diese Abwesenheit habe die Einrichtung der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld (ZAB) aber nicht gemeldet, obwohl er zu dem Zeitpunkt schon ausreisepflichtig gewesen sei. „Das war ein Versäumnis“, sagte Paul.
„Unser Ziel muss es sein, dass bei allen bestehenden Dublin-Fällen in den Landeseinrichtungen geprüft wird, ob ein Haftgrund vorliegt“, schreibt Paul zudem in ihrem Bericht an den Ausschuss. Gerade, wenn ausreisepflichtige Personen länger als drei Tage nicht in ihrer Unterkunft seien, müsse geprüft werden, ob sie als flüchtig einzustufen sind. Dann könnten sie zur Festnahme ausgeschrieben werden. Zudem könne die Überstellungsfrist an das jeweilige zuständige EU-Land von sechs auf 18 Monate verlängert werden. Nach Ablauf der Frist ist Deutschland für den Asylantrag zuständig. Im Fall des Tatverdächtigen war dies seit August 2023 der Fall.
Falls eine zur Festnahme ausgeschriebene Person zurückkehrt, muss die Einrichtung laut Erlass direkt die Polizei verständigen. Zudem müssen die Ereignisse künftig strenger dokumentiert werden.
Der Landtag will die Ereignisse und Versäumnisse rund um den Anschlag in Solingen in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Dabei solle es vor allem um die Details der gescheiterten Abschiebung sowie die Motive und die Radikalisierung des tatverdächtigen Syrers gehen. Der mutmaßliche Attentäter Issa Al H. sitzt in Untersuchungshaft. Dem 26-jährigen Syrer werden unter anderem dreifacher Mord und die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen.