Badens evangelische Landesbischöfin Heike Springhart hat die Rechtfertigungslehre als befreiende Erkenntnis und „Pointe der Reformation“ bezeichnet. Auch als Sünder sei der Mensch allein aus der Gnade Gottes gerechtfertigt und nicht aus eigenem Verdienst, schreibt die Bischöfin in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der katholischen Kirchenzeitung „Konradsblatt“ (Freiburg).
Angesicht aktueller Herausforderungen müsse sich die evangelische Theologie jedoch fragen, ob diese Aussage „den Blick für die Macht schwerwiegender Schuldzusammenhänge verstellt“, beispielsweise bei sexualisierter Gewalt, hebt Springhart anlässlich von 25 Jahren „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ hervor. Diese Erklärung wurde am 31. Oktober 1999 von Vertretern des Vatikans und des Lutherischen Weltbundes in Augsburg unterzeichnet.
Im Windschatten der Rechtfertigungslehre begegne einem in der Kirche „nicht selten“ ein Verständnis von Vergebung, das für Betroffene von sexualisierter und anderer Gewalt schwer erträglich sei, schreibt die Theologin weiter. Dass sich die Kirche mit den schuldigen Tätern leichter tue als mit den unschuldigen Opfern, treffe nicht nur für die katholische, sondern auch für die evangelische Kirche zu.
Gott mute durch sein Gesetz, der Tora, dem Menschen zu, Verantwortung für sein Handeln und für sein Unterlassen zu übernehmen. „Weil Christus die Schuld aller Menschen auf sich genommen hat, müssen wir schonungslos und klar dorthin schauen, wo Menschen an anderen schuldig geworden sind“, fordert Springhart. (2350/18.10.2024)