Die religiöse Überhöhung von Trump sei genau das Gegenteil von tatsächlichen religiösen Führern, sagt Soziologe Nassehi. Und das schwindende Kirchenleben hierzulande führe zu einer besorgniserregenden Entwicklung.
Donald Trump als Messias? Der Soziologe Armin Nassehi sieht darin eine Überhöhung des Herrschers, die typisch für Diktaturen seien. “Christlich gesprochen, ist das die pure Blasphemie”, sagte der Münchener Professor im Interview mit dem “Kölner Stadt-Anzeiger” (Donnerstag). In Diktaturen gehöre die Vergötterung des Führers zum festen Formenkanon. Dies finde sich im Nationalsozialismus und ähnlich beim russischen Machthaber Wladimir Putin. Der Soziologe warnte vor “religiös imprägniertem Nationalismus”, der aktuell weltweit stärker werde.
Laut Nassehi ist Trumps Selbstdarstellung als “Gesandter des Herrn”, den die göttliche Vorsehung bei seinem Attentat bewahrt habe, nichts Religiöses. Vielmehr werde die religiöse Zeichensetzung, die den Menschen vertraut sei, in politischer Absicht genutzt. Religiöse Persönlichkeiten bedienten sich solcher Rede heute üblicherweise nicht mehr, sondern trügen eher Bescheidenheit vor sich her, so der Soziologe. “Würde der Papst sich hinstellen und sagen: Ich bin der Auserwählte Gottes? Wohl kaum!”
Eine abnehmende Kirchenbindung in Deutschland bringt nach den Worten des Wissenschaftlers eine größere Gefahr für christlichen Fundamentalismus mit sich. Denn das Christentum habe es durch eine behördenähnliche Organisation von Kirche hinbekommen, das “Unbändige des Religiösen” im Schach zu halten. In den USA und auch in Lateinamerika sei christlicher Fundamentalismus außerhalb des kirchlich verfassten Rahmens deutlich zu beobachten. In Europa spiele er bisher noch eine geringere Rolle.