Der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen sieht in der gestiegenen Zahl von Beratungen und Verfahren einen deutlichen Hinweis auf die wachsende soziale Not in Niedersachsen. Insgesamt habe der SoVD im Jahr 2022 für seine Mitglieder 43.000 Verfahren für Sozial-, Gesundheits- und Rentenleistungen geführt, sagte der Verbandsvorsitzende des SoVD in Niedersachsen, Bernhard Sackarendt, bei der Vorstellung des „Schwarzbuch sozial 2023“ am Mittwoch in Hannover. Das entspreche einem Anstieg von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt seien 53 Millionen Euro erstritten worden, ein Plus von 15 Prozent.
In seinem Schwarzbuch stellt der SoVD zum fünften Mal die haarsträubendsten Fälle aus seiner Beratung bei Konflikten mit Behörden und Krankenkassen vor. Bei den Verfahren handelt es sich etwa um Anträge, Widersprüche, Klagen und Berufungsverfahren. Im Schwarzbuch vorgestellte Beispiele sind etwa eine Mutter, die um die Anerkennung eines Corona-Impfschadens bei ihrer Tochter kämpft oder ein Sohn, der für seine Eltern Sozialhhilfe beantragen muss, weil die Kosten im Pflegeheim exorbitant gestiegen sind.
Menschen, die Pflegekosten nicht mehr allein tragen können und Sozialleistungen beantragen, fühlten sich oft nicht ausreichend unterstützt, kritisierte der Vorsitzende des SoVD-Landesvorstands, Dirk Swinke. Weil die Bearbeitungsdauer oft zu lang sei, häuften sie Schulden an. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass Pflegeleistungen regelmäßig nicht ohne staatliche Sozialhilfe finanziert werden könnten. Die Pflegeversicherung müsse vollständig umgestellt werden, weg vom „Teil-Kasko“-Modell hin zu einer Versicherung, die alle Pflegekosten übernimmt, forderte Swinke.
Der SoVD stellt außerdem Pflegebedürftige vor, denen erst nach langem Kampf ein angemessener Pflegegrad gewährt wurde. In diesem Bereich seien die Verfahren besonders stark angestiegen, sagte Swinke. „Manchmal hat man den Eindruck, dass es Betroffenen extra schwer gemacht werden soll.“ Viele Bürger hätten nicht die Zeit und die Kraft, Widerspruch einzulegen.
Im Bereich Wohngeld hat sich die Zahl der Interventionen des SoVD laut Sackarendt zuletzt etwa verdoppelt, da der Kreis der Anspruchsberechtigen seit Jahresbeginn stark ausgeweitet wurde. Die Antragstellung sei jedoch schwierig und „ohne Begleitung kaum möglich“, kritisierte er.
Der SoVD ist nach eigenen Angaben mit rund 50 Beratungsstellen und 8.000 Ehrenamtlichen der größte Sozialverband in Niedersachsen.