In dieser Geschichte geht es um Polly. Ein Lebewesen, das man nicht vergessen kann und nicht vergessen will. Sie war keine Person, aber sie war ein Lebewesen, bei dem man das Gefühl hatte, dass sie alles verstehen würde, was man sagt. Es gab kein „Du bist mein Besitz, weil ich dich gekauft habe“, es war eine Freundschaft zwischen Meerschweinchen und Mensch.
Polly war nicht das einzige Meerschweinchen im Haus, sie kam zusammen mit Panky bei uns an. Die beiden waren für mich da, als ich mich unnötig gefühlt habe, als es mir schlecht ging und als ich mich allein gelassen gefühlt habe. Als kleines Kind hab ich mir schon immer ein Haustier gewünscht. Damals dachte ich an einen Hund oder an eine kleine Katze, aber das wollten meine Eltern nicht, weil unsere Vermieterin keine größeren Haustiere duldet. Also ging nur ein kleines Tier in einem Käfig. Da wollte ich unbedingt ein Meerschweinchen, aber meine Eltern wollten mir nicht diese große Verantwortung in die Hand geben. Da hatte ich Pech gehabt.
Als ich sieben war, trennten sich meine Eltern, und das ist für ein kleines Kind der Weltuntergang. Ich war am Boden zerstört und konnte mit niemand darüber reden. Meine Mutter war mit sich beschäftigt, mein Vater war arbeiten, und mein Bruder war ein Jugendlicher, der nichts von seiner peinlichen kleinen Schwester hören wollte. Als meine Noten in der Schule immer schlechter wurden, hat mich meine Mutter zu einer Therapeutin geschickt. Sie war eine Rettung, aber zu Hause war ich wieder alleine. Ich habe weiter gebettelt nach zwei Meerschweinchen, und dann haben meine Eltern ernsthaft darüber nachgedacht, vielleicht weil Tiere ja angeblich wie Schokolade glücklich machen sollen. An Weihnachten 2012 war es also soweit.
In einer Tierhandlung haben wir Polly und Panky abgeholt. Sie waren so lieb, aber die ersten Tage musste ich sie in Ruhe lassen, dass sie sich an die neue Umgebung gewöhnen können. Das war sehr schwer für mich, aber ich habe es verstanden. Auf einmal hatte ich eine ganz große Verantwortung in meinen Händen, und ich war sehr stolz. Alles lief super. Ich konnte mit ihnen spielen und habe immer aus Spielkästen Labyrinthe gebaut und dort drinnen Essen versteckt, damit sie ein bisschen laufen. Jeden Tag haben sie Auslauf in meinem Zimmer bekommen, wir haben gespielt und geschmust.
Doch dann hat sich Polly verändert. Sie hat sich nicht mehr so viel bewegt und immer weniger gegessen. Wir haben dann gesehen, dass ihre linke Backe immer dicker wurde. Wir sind mit ihr zum Tierarzt gegangen, der uns sagte, es handle sich um einen Abszess. Das ist bei Nagetieren oft angeboren, und man kann nichts machen. Man kann es nur behandeln, aber nicht entfernen. Die Ärzte haben trotzdem operiert, aber gleich gesagt, dass es immer wiederkommen würde. Sie sagten, Polly würde nur noch einen Monat leben.
Erst konnte ich es nicht wirklich fassen, es ist wie, als würde eine Hälfte deines Körpers mitsterben und die andere muss leidend zurückbleiben. Aber Polly hat unglaublich lang durchgehalten, weil sie so unglaublich tapfer war. Man hat ihr aber angemerkt, dass sie leidet. Als sie nicht mehr essen wollte, habe ich ihr mit einer Spritze aus der Tierklinik Brei in den Mund gegeben. Viermal am Tag. Ich hab das gerne gemacht, weil ich dachte, dass ich ihr so etwas Gutes tue. Aber es war nicht gut. Der Abszess wurde nicht besser, sie musste nur noch mehr leiden.
Ein guter Freund, der Tierarzt ist, ist zu uns nach Hause gekommen und hat sie auf meinem Schoß eingeschläfert. Ich habe geweint. Dann habe ich einen Schuhkarton mit Geschenkpapier beklebt und ihn mit Watte gefüllt, dass sie es schön weich hat. Dort habe ich sie hineingelegt – zusammen mit einem Brief an sie.
Mit Polly sind wir über die Brücke am Fluss gelaufen, zu einem Baum, der mir gefallen hat. Mama, Papa, meine beste Freundin und ihr Vater waren dabei. Auf dem Weg habe ich geheult, die anderen auch. Bei dem Baum hat mein Papa ein Loch gegraben, da habe ich Polly hineingelegt, und wir haben Abschied genommen.
Ohne Polly war Panky ein bisschen alleine, weil wir es nicht gleich geschafft haben, ein neues Meerschweinchen zu holen. Aber dann wollte sie nicht mehr essen. Deswegen haben wir Molly geholt. Molly ist toll! Polly wurde nicht durch Molly ersetzt, Molly ist ein ganz neues Meerschwein. Man kann Polly nicht vergessen! Pia
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So süß wie Schokolade
An Weihnachten 2012 kamen Polly und Panky, zwei kleine süße Meerschweinchen. Doch Polly wurde krank. Pia hat sie bis zum Schluss begleitet – und Abschied genommen. Eine Dreizehnjährige berichtet über ihren Verlust, ihre Trauer und wie es wieder besser wurde
