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Sexueller Missbrauch: Aufarbeitungsstudie kritisiert GEW

Täter-Opfer-Umkehr und Verharmlosung: Auch die Gewerkschaft GEW hat vor sexuellem Missbrauch jahrzehntelang die Augen verschlossen. Eine Studie benennt Versagen.

In Publikationen und Handeln der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen laut einer Studie jahrzehntelang verharmlost worden. Zu diesem Ergebnis kommt eine “Wissenschaftliche Aufarbeitung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der GEW von 1950 bis heute”, die am Dienstagabend in Berlin vorgestellt wurde.

Die vom Münchner “Institut für Praxisforschung und Projektberatung” (IPP) und dem Berliner “dissens – Institut für Bildung und Forschung” erarbeitete Studie war 2021 auf Beschluss des Bundesvorstands der GEW in Auftrag gegeben worden. Ziel der Studie sei es, Schweigen zu beenden, Taten aufzudecken und Folgen für Betroffene zu benennen, sagte die Bundesvorsitzende Maike Finnern. Man wolle “Strukturen erkennen, die sexuellen Missbrauch begünstigt und seine Aufdeckung verhindert haben.”

Wie die Geschäftsführerin des IPP, Helga Dill, berichtete, hat es in der GEW-Zeitschrift “Erziehung und Wissenschaft” etwa eine Täter-Opfer-Umkehr gegeben, wenn es zu verbotenen Beziehungen zwischen Lehrern und Schülerinnen hieß: “Mädchen sind mitverantwortlich, weil sie so verführerisch sind.”

Beim von der GEW gewährten Rechtsschutz wurden die Perspektiven von Betroffenen bisweilen nicht berücksichtigt, so Malte Täubrich, Geschäftsführer des “dissens”-Instituts. Exemplarisch untersucht wurden in der Studie die Landesverbände der GEW in den Metropolen Berlin und Hamburg. So sei es in Hamburg ab 1968 zu einer Verharmlosung sexualisierter Gewalt und einer Legitimation von Pädophilie gekommen. Allerdings machte die Zeitschrift des Landesverbands schon 1992 mit einem eigenen Themenheft auf die Gefahren des sexuellen Missbrauchs aufmerksam.

Aus den Ergebnissen der Studie will die Gewerkschaft laut ihrer Vorsitzenden Maike Finnern Konsequenzen ziehen. Dazu zählen eine stärkere Aufklärung und Sensibilisierung der eigenen Mitglieder zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Lehrer, die sich um Betroffene kümmern, sollen stärker unterstützt werden. Und bei Fällen von sexualisierter Gewalt solle “restriktiver und einheitlicher” geprüft werden, ob die Gewerkschaft ihren Mitgliedern Rechtsschutz gewähre.