Prinz Philip war schon immer für eine Schlagzeile gut. Zuletzt beschäftigte er die Medien, weil er im abendlichen Zwielicht ein entgegenkommendes Fahrzeug übersehen und einen Unfall verursacht hatte. Ist es nicht fahrlässig, mit 97 noch einen Wagen zu lenken, fragten prompt etliche Kommentatoren.
Auch in Deutschland wird die Fahrtüchtigkeit von Senioren regelmäßig diskutiert. Während die einen vorgeschriebene Fahrtests spätestens ab 75 fordern, verteidigen andere das Selbstbestimmungsrecht auch alter Menschen. „Einen Verkehrstest für Senioren wird es mit mir nicht geben“, verkündete kürzlich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Autofahren als Symbol der Unabhängigkeit
Wer so argumentiert, beruft sich zumeist auf die Statistik. Demnach verursachen junge Menschen weitaus mehr Unfälle als Senioren. Auch der ADAC vertritt diese Linie: „Senioren am Steuer haben zu Unrecht einen schlechten Ruf“, betont Verkehrsexperte Roman Suthold. Der Grund: „Ältere Fahrer zeichnen sich in der Regel durch einen situativ angepassten Fahrstil sowie vorausschauendes Fahren aus.“
Differenziert äußert sich Andreas Reidl, Gründer des Ratgeberportals www.grosseltern.de. Zwar verwehrt auch er sich gegen das Klischee vom Risikofaktor Senior am Steuer. Dass manche aber auch dann noch fahren, wenn sie eigentlich nicht mehr fahrtüchtig sind, das ist ihm durchaus bewusst. Und er kennt den Grund: „Autofahren ist gerade für ältere Menschen ein Symbol der Unabhängigkeit.“ Und es erhält die Mobilität, selbst dann, wenn man nicht mehr gut zu Fuß ist.
Was aber tun, wenn Vater oder Mutter, Oma oder Opa trotz offensichtlicher Einschränkungen den Autoschlüssel nicht abgeben wollen? „Da müssen Sie ganz sensibel herangehen“, rät Reidl. Wer mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, habe von vornherein verloren. Am wirksamsten, so der Experte, sei es, das Thema Fremdgefährdung in den Mittelpunkt zu stellen. Vor allem Senioren, die selbst Enkelkinder haben, ließen sich mit diesem Argument oft überzeugen.
Wer unsicher ist, kann auf grosseltern.de eine Checkliste durcharbeiten – in zwei Varianten, je nachdem, ob man Betroffener oder Angehöriger ist. „Diese Listen werden häufig genutzt“, berichtet Andreas Reidl. Auch der ADAC steht unsicheren Senioren zur Seite. An der Seite eines Fahrlehrers kann man dort ein Fahrsicherheitstraining absolvieren.
Und was, wenn der Senior für kein Argument empfänglich ist? Hilft dann vielleicht die Polizei? Nein, denn die darf den Führerschein erst einziehen, wenn etwas passiert ist. Solange der Senior unfallfrei fährt oder die Polizei von einem Unfall nichts erfährt, sind dem Staat die Hände gebunden.
Bliebe noch der verbindliche Fahreignungstest. Unfallforscher Siegfried Brockmann fordert den für Senioren ab 75. Sein Modell: Eine Stunde Fahrtest in Begleitung eines Experten, danach ein aufklärendes Gespräch mit Ratschlägen. „Aber niemandem wird der Führerschein entzogen.“
Dass ältere Menschen laut Unfallstatistik besonders sicher fahren, liegt für ihn auch an der Art, wie die Daten erhoben werden. Zum einen werden Menschen schon ab 65 pauschal zu den Senioren gezählt. Zum anderen werde nicht berücksichtigt, dass alte Menschen generell weniger fahren und folglich auch weniger Unfälle bauen können. Wenn sie aber in Unfälle verwickelt sind, dann haben sie diese zu 75 Prozent selbst verursacht.
Brockmann verweist in diesem Zusammenhang auf die im Alter nachlassenden kognitiven Fähigkeiten. Verschiedene Eindrücke schnell zu verarbeiten, werde zunehmend schwieriger. Auch könnten sich alte Menschen nicht mehr so leicht auf wechselnde Lichtverhältnisse einstellen.
Mehr Gewicht, wenn der Arzt vom Fahren abrät
Einfach auf die Eigenverantwortung zu setzen, wie das der Bundesverkehrsminister tut, greift für Brockmann zu kurz. Sein Argument: „Vielen älteren Autofahrern mangelt es an Selbsterkenntnis.“ Gerade weil das Thema so heikel sei, dürfe man es nicht den Angehörigen überlassen, hier im Familienrat eine Lösung zu finden. „Gerade bei niederschmetternden Ergebnissen brauchen die Menschen eine Instanz, jemanden, den sie als Autorität anerkennen“, so der Experte.