Seit Jahrzehnten gibt es im Senegal eine Tradition. Die Präsidentschaftswahl findet am letzten Februarwochenende statt. Damit hat Präsident Macky Sall gebrochen, als er die geplante Wahl Anfang Februar absagte. Seitdem gab es fast jede Woche einen neuen Vorschlag für einen Wahltermin, ein Hin und Her zwischen Präsidialdekreten und Gerichtsentscheidungen – und teils brutal niedergeschlagene Proteste. Am Sonntag ist es nun aber so weit.
„Die Wählerinnen und Wähler sind mehr als bereit“, sagte Bruno Sonko dem Evangelischen Pressedienst in Dakar. Der promovierte Politikwissenschaftler beschäftigt sich bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Westafrika mit sozialer Gerechtigkeit und Konflikten in der Region. Präsident Salls Verhalten der vergangenen Wochen sieht Sonko als Spiel mit dem Feuer, das die demokratischen Institutionen in Brand setzen könnte. Es brauche dringend eine Einschränkung der direkten Macht des Präsidenten. „Die Gewaltenteilung muss gestärkt werden, um die Demokratie zu erhalten.“
Ob das nach der Wahl passiert, hängt sehr davon ab, wer das Rennen macht. Es gibt 18 Kandidaten und eine Kandidatin, am Ende seien es aber zwei Lager, die am Sonntag viele Stimmen hinter sich versammeln werden, sagt Bruno Sonko: Der „System-Kandidat“ Amadou Ba (62), bis vor Kurzem Ministerpräsident unter Macky Sall, und der „Anti-System-Kandidat“ Bassirou Diomaye Faye (44), ins Rennen geschickt von Oppositionsführer Ousmane Sonko, der selbst nicht zur Wahl zugelassen wurde. Sonko und Faye waren beide monatelang im Gefängnis, bis sie vergangene Woche im Rahmen einer Amnestie freigelassen wurden.
Zwei aufeinander folgende Amtszeiten von je sieben Jahren können Präsidenten im Senegal laut Verfassung absolvieren. Macky Sall war der vierte Präsident, der das Land seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 regiert hat. 2012 wurde er zum ersten Mal gewählt, 2019 im Amt bestätigt. Der erste Präsident, Léopold Senghor, stand dem Land 20 Jahre lang vor und machte Senegal zu einem der ersten afrikanischen Staaten, in dem Wahlen mit mehreren Parteien abgehalten wurden.
Sonko und Faye und ihre Partei „Pastef” lösen vor allem bei jungen Menschen Begeisterung aus, auch viele Intellektuelle unterstützen sie. Ihr Programm sei zukunftsorientiert, sagt der Politikwissenschaftler Sonko. Amadou Ba stehe hingegen für ein “Weiter so”. Doch am Ende liege der Fokus weniger auf dem Programm als auf der Person. Sonko hat seine Partei 2014 gegründet und mobilisiert seitdem immer wieder Proteste gegen die Regierung. Bei der Wahl 2019 trat er gegen Sall an und erhielt 15 Prozent der Stimmen.
Weil er im Juni 2023 wegen „Korruption der Jugend“ verurteilt wurde, durfte er nicht kandidieren – ist aber auf Fayes Wahlplakaten oft größer abgebildet als sein Parteikollege. “Pastef” setzt sich für politische Erneuerung ein und kritisiert Salls Nähe zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. So wollen sie den in der Kolonialzeit eingeführten westafrikanischen Franc CFA abschaffen und eine neue Währung einführen.
„Was wir jetzt brauchen ist Transparenz“, sagt Bruno Sonko. Die Wahlbeobachter der EU und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas spielten dabei eine wichtige Rolle, wie auch Presse und Zivilgesellschaft. Auf die Wahlkommission Cena setzt der Politologe hingegen keine großen Hoffnungen. Als diese im November eine Entscheidung des Präsidenten kritisierte, tauschte Sall die wichtigsten Köpfe der Kommission kurzerhand gegen Parteifreunde aus. Auch gibt es Probleme mit dem Wahlregister. Mehr als sieben der knapp 17 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner sind zur Wahl gemeldet.
Trotz des Fastenmonats Ramadan haben die Parteien den verkürzten Wahlkampf aufgenommen und versammeln hunderte Unterstützerinnen und Unterstützer bei großen Veranstaltungen im ganzen Land. 97 Prozent der Bevölkerung sind muslimisch, der Großteil folgt senegalesischen Sufi-Traditionen. Ousmane Sonko und sein Team sind vor allem im Süden des Landes unterwegs. Dort hat er den größten Rückhalt, in der Regionalhauptstadt Ziguinchor ist er seit 2022 Bürgermeister.