JERUSALAM/TEL AVIV – Er wurde nie vom Volk gewählt und war dennoch mehrfach Ministerpräsident, Außenminister, stellvertretender Staatspräsident und Präsident: Fast jedes wichtige politische Amt Israels hat Schimon Peres in mehr als 50 Jahren bekleidet. Am 28. September starb der 93-Jährige – und mit ihm einer der verlässlichsten Fürsprecher für ein Ende der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern.
Elf Jahre alt war der 1923 als Szimon Perski im polnischen Wiszniewo (heute Wischnewa, Weißrussland) Geborene, als er mit seinen Eltern nach Palästina auswanderte. Schon als Jugendlicher engagierte er sich in der Arbeiterpartei und der Gewerkschaftsbewegung. Daneben kämpfte er in der jüdischen Miliz „Haganah“ und war nach der Staatsgründung Israels 1948 maßgeblich an der Aufrüstung beteiligt. 1959 wurde er erstmals Abgeordneter der Knesset. Hartnäckig brachte er sich von da an in die Politik ein. Peres' Engagement galt einem starken und jüdischen Israel. Es gebe im Judentum keinen Unterschied zwischen Religion und Nation, betonte er – und verurteilte zugleich den Missbrauch von Religion für das „Zementieren von Hergebrachtem“.
„Israel und die Welt verlieren einen Visionär“
Für das Erreichen eines dauerhaften Friedens forderte er eine starke Führung. Es gelte, den alten Konflikt loszuwerden, da Bomben und Steine keine Alternative seien. Ein „weiser und guter Mann“, sagte Papst Franziskus bei einem Treffen mit Peres. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte jetzt: „Mit Schimon Peres verlieren Israel und die Weltgemeinschaft einen Visionär, der mit all seiner Erfahrung und Tatkraft zum ersehnten Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn beigetragen hat.“
Weltweit lobten Kollegen Peres als Politiker mit Weitsicht, Realitätssinn und einem unermüdlichen Einsatz für den Frieden. So sehr Peres' Stimme aber in der Welt geschätzt wurde – im eigenen Land galt er in seiner Hartnäckigkeit als arrogant und unnahbar. Das Festhalten an seiner Vision von einem friedlichen Nahen Osten fand wenig Zustimmung und ließ ihn in den Augen vieler Landsleute als naiven Träumer dastehen.
Bis er ohne nennenswerte Um- und Nebenwege offiziell in ein Amt gewählt wurde, vergingen 48 Jahre: 2007 wählte ihn die Knesset zum neunten Staatspräsidenten – und damit faktisch zu einem der machtlosesten Menschen in Israels politischem System. Im Sommer 2014 legte Peres als weltweit ältestes Staatsoberhaupt sein letztes offizielles Amt nieder, endlich auch im eigenen Land anerkannt.
Trotz seiner Friedensbemühungen wurde auch Kritik an dem Nobelpreisträger geäußert. In den 1960er und 70er Jahren etwa habe er israelische Siedler verteidigt. Sein Einlenken auf den Friedenskurs des später ermordeten Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin sei in erster Linie pragmatischer Natur gewesen, sagen Vertraute.