Der Fall des unter Missbrauchsverdacht stehenden Kardinals Franz Hengsbach bringt nach den Worten des Kirchenrechtlers Thomas Schüller späte Gerechtigkeit. „Endlich, aber dennoch viel zu spät, sind auch Bischöfe, die Täter waren, vor dem Gesetz der Kirche gleich und werden zur Rechenschaft gezogen“, sagte der Münsteraner Professor am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach der Veröffentlichung von Missbrauchsvorwürfen gegen den ersten Essener Bischof Franz Hengsbach, der 1991 gestorben ist. Dem amtierenden Bischof Franz-Josef Overbeck sei für seinen Mut zu danken, diesen Schritt angesichts der bis heute ungebrochenen hohen Popularität seines Vorgängers im Amt zu gehen. Hengsbach stand bis zu seinem Tod 33 Jahre lang an der Spitze des Ruhrbistums.
Schüller sagte, sollten sich die Vorwürfe im weiteren Verlauf erhärten, würde mit dem Kardinal eine Ikone vom Sockel gestürzt, die für ihre gradlinig katholisch-konservative Haltung bekannt und beliebt war. Der Fall zeige aber deutlich, was viele Einzelstudien auch schon bisher ans Tageslicht gebracht hätten, betonte Schüller. In der Zeit ab 1945 bis heute seien auch Bischöfe Täter gewesen und hätten zudem in vielen Fällen ihnen bekannt gewordene Sexualstraftaten ihrer Kleriker vertuscht.
Die jetzt gegen Hengsbach erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf mutmaßliche Taten zwischen den 1950er und 1970er Jahren. In seiner Zeit als Weihbischof von Paderborn soll Hengsbach eine damals 16-jährige Jugendliche missbraucht haben. Der nun aktuell im Bistum Essen angezeigte sexuelle Übergriff soll sich 1967 ereignet haben. Das Opfer möchte nach Angaben des Bistums anonym bleiben. Nähere Angaben zur Art der Übergriffe sind nicht bekannt. Hengsbach ist der erste deutsche Kardinal, gegen den öffentlich Missbrauchsvorwürfe erhoben wurden.