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Schlummern unterm Kirchendach

Gottesdienste feiern, in aller Stille beten oder unter dem Dach der Kirche träumen: Die Hospitalkapelle in Spangenberg öffnet seit Pfingsten ihre Pforten als Herbergskirche auch für Übernachtungsgäste. Entstanden ist die Idee im Zuge der rund 60.000 Euro teuren Sanierung der Turmspitze, die für die evangelische Kirchengemeinde der nordhessischen Kleinstadt ein Ärgernis war – auch wenn die Milden Stiftungen Spangenberg als Eigentümer von St. Elisabeth die Hälfte der Kosten tragen und auch für den Unterhalt sorgen.

Die Reparatur des Dachreiters gab Pfarrer Michael Schümers den Anstoß, über eine neue Nutzung der Kapelle aus dem 14. Jahrhundert nachzudenken. Inspiriert von einer Herbergskirche in Thüringen entstand die Idee, auch in Spangenberg eine zu eröffnen – direkt an zwei Pilgerwegen gelegen, dem Elisabethpfad von Eisenach nach Marburg und dem Jakobsweg nach Santiago di Compostela. „Wir nutzen drei Kirchen auf weniger als einem Quadratkilometer. Da lag es nahe, sie als Herbergskirche einzurichten“, sagt Schümers. Der Zuspruch sei von allen Seiten groß gewesen.

Und so begannen vor einem Jahr die Planungen für den Umbau der Kapelle. Jetzt gibt es vier gemütliche Schlafplätze: ein Doppelklappbett in der Mitte des gotischen Kirchenraums und ein Himmelbett für zwei in der Sakristei. Außerdem wurden sanitäre Anlagen und eine Serviceecke für Waschmaschine, Bettwäsche und Handtücher eingerichtet. Auch eine kleine Küche, die bereits zum Ensemble gehörte, könne von den Gästen genutzt werden, erklärt der Pfarrer.

Die Einrichtung ist reduziert, funktional und einfach. Das Bett im Kirchenraum ist auf den ersten Blick nicht als solches zu erkennen: „Da die Front des Klappbettes passend zu den Türen mit Kassettenmuster gestaltet ist, wirkt es geschlossen wie ein Schrank, der sich unauffällig in das Innere einfügt“, sagt Schümers. St. Elisabeth sei eine offene Kirche, in der weiterhin Gottesdienste gefeiert werden, und solle es bleiben.

Die Herbergskirche in Spangenberg ist nach seinen Worten die erste im Bereich der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), die das Projekt aus dem Innovationsfonds der Landeskirche mit rund 48.000 Euro gefördert hat. Bei vielen Arbeiten packten bis zuletzt auch Mitarbeiter der 1338 gegründeten Milden Stiftungen mit an, einer Institution, die sich seit ihren Anfängen der Armen- und Wohlfahrtspflege widmet.

Die Schlafräume können einzeln gemietet werden und verfügen über einen eigenen Eingang und einen separaten Zugang zum Bad. Buchbar sind sie über die Kirchengemeinde, die Internetseite der Milden Stiftungen und das Portal „Airbnb“. Eine Nacht kostet 35 Euro für eine Person und 60 Euro für zwei. Betreut werden die Gäste von Herbergsmutter Stefanie Pfaff. „Die Gäste werden von ihr herzlich empfangen und sollen etwas von der Menschenfreundlichkeit Gottes und der christlichen Gastfreundschaft spüren“, sagt der Spangenberger Pfarrer.

Das Angebot richte sich nicht nur an die schätzungsweise drei- bis fünfhundert Pilger, die Spangenberg jährlich erreichen, sondern an alle Interessierten. Mit dem Ziel einer intensiveren Nutzung der Kapelle, deren Namenspatronin Elisabeth von Thüringen ist, verbindet Schümers die Idee, mit seinen Gästen ins Gespräch zu kommen. Darüber, wie es ist, in einer Kirche zu übernachten, sie als Herberge und als bergenden Ort zu erleben. Oder darüber, ob es nur eine interessante Erfahrung ist oder auch ein positiver Impuls für die Seele und den Glauben.

„Es ist sicher eine besondere Erfahrung, eine Kirche anvertraut zu bekommen und in einem ‚zurechtgebetetem Raum‘ zu übernachten, der die Seele anrühren kann“, sagt Schümers. Wenn das auch geistliche Impulse mit sich bringe oder Anlass sei für ein Gespräch über spirituelle Aspekte, dann wäre das sehr schön. Er wünsche sich, dass die Menschen die Erfahrung machen, dass die Kirche eine guter Zufluchtsort ist, „der dem Menschen ganzheitlich guttut“.