Artikel teilen

Scheidendes EKD-Ratsmitglied kritisiert Missbrauchsaufarbeitung

Der Bochumer Jura-Professor Jacob Joussen hat den Umgang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit der Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs kritisiert. „Die Art und Weise, wie die Landeskirchen und wie wir alle mit den Ergebnissen der im Januar vorgestellten ForuM-Studie umgehen, entspricht nicht meiner Art, Verantwortung wahrzunehmen“, sagte Joussen dem Bremer „Weser-Kurier“ (Samstag). Der Rechtswissenschaftler ist seit 2015 Mitglied des Rates der EKD und will während der im November tagenden EKD-Synode sein Amt in dem Leitungsgremium vorzeitig niederlegen.

„Eine Reihe persönlicher Gründe“ hätten zu dem Entschluss geführt, den Rat zu verlassen, sagte der Experte für kirchliches Arbeitsrecht der Zeitung: „Dazu kommt aber auch der Umgang der EKD mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs.“ Das Beteiligungsforum, in dem Betroffene und Kirchenvertreter über die Aufarbeitung diskutieren, mache eine gute Arbeit, sagte Joussen laut „Weser-Kurier“. Aber es sei mühsam, wie mit dessen Ergebnissen umgegangen werde.

„Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs muss externalisiert werden“, betonte Joussen: „Eine Institution wie die EKD kann sich nicht selbst aufarbeiten.“ Das sei aber in der Kirche nicht vermittelbar. „Die Beharrungskräfte sind zu groß“, sagte der Jurist. Ende Januar hatte ein unabhängiges Forschungsteam die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgestellt. Es geht darin von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern aus, vermutet aber eine deutlich höhere Dunkelziffer.

Bei der Tagung der EKD-Synode im November in Würzburg werden drei neue Mitglieder für den EKD-Rat gesucht, hatte Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich am Freitag bekannt gegeben. Neben der Nachfolge für die frühere Ratsvorsitzende Annette Kurschus, die ihr Amt Ende vergangenen Jahres aufgegeben hatte, werden noch zwei weitere Plätze in dem 15-köpfigen Gremium frei. Der Rat der EKD vertritt die Positionen der evangelischen Kirche nach außen, er wird als ihre öffentliche Stimme wahrgenommen.

Neben Joussen will auch der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung aus dem Leitungsgremium ausscheiden. Jung hatte bereits bei seiner Wiederwahl im November 2021 angekündigt, nur drei Jahre für die Mitgliedschaft im Rat zur Verfügung zu stehen, da er Ende des Jahres in den Ruhestand geht. Das Kirchenparlament wird bei seiner Tagung vom 10. bis 13. November in Würzburg auch über die Nachfolge von Kurschus an der Spitze des Rates entscheiden. Bislang ist die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs die amtierende Ratsvorsitzende. Sie hatte bereits angekündigt, für das Amt des Ratsvorsitzes offen zu sein.