Von Ulrike Strerath-Bolz
Luther war ihm von Herzen abgeneigt, Melanchthon hielt ihn für verrückt, Calvin behauptete, seine Schriften nicht gelesen zu haben. Selbst in Zürich, der Stadt seines Wirkens, galt der Reformator Ulrich (Huldrych) Zwingli lange Zeit als engstirniger Moralapostel. Streng und grimmig – mit Bibel und Schwert in den Händen – stellt ihn das Bronzedenkmal vor der Wasserkirche in Zürich dar, das 1884 anlässlich seines 400. Geburtstags errichtet wurde.Doch wer einen unvoreingenommenen Blick auf den Mann wirft, der in zwölf kurzen Jahren, von 1519 bis zu seinem Tod im Oktober 1531 die Reformation in der deutschsprachigen Schweiz ins Werk setzte, der lernt einen anderen Zwingli kennen: den scharfen Denker, den charismatischen Prediger, den Ehemann und Vater, den sinnen- und sangesfrohen Mann mit dem großen Freundeskreis. Und den umsichtigen Politiker und Gemeindeleiter, der am Ende doch bitter an seinen eigenen Ansprüchen scheiterte.Am 1. Januar 1484 in Wildhaus im Toggenburg (heute Kanton St. Gallen) geboren, erhält der Sohn einer wohlhabenden Bauernfamilie eine gute Ausbildung. 1506 lässt er sich zum Priester weihen, und wenig später tritt er seine erste Pfarrstelle in Glarus an. Er lebt sich schnell ein und wird als stets zugänglicher, freundlicher Pfarrherr geschätzt. Doch es sind keine friedlichen Zeiten, die er dort erlebt. Die Schweizer Eidgenossenschaft entsendet Söldner in fremde Heere; Schweizer Landsknechte gelten als außerordentlich kampfstark und sind begehrt bei den Fürsten der Nachbarstaaten. Und wo die Obrigkeit der Söldnerwerbung zustimmt, fließen stattliche Summen in öffentliche und private Kassen. Für solche Privilegien sieht man gern über die zerstörerischen Auswirkungen des Söldnerwesens hinweg.
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Buchtipp: Ulrike Strerath-Bolz, Ulrich Zwingli. Wie der Bauernsohn zum Reformator wurde, Wichern Verlag 2013, 144 Seiten, 10 Abbildungen, 14,95 Euro