Mit dem Abzug der UN-Mission in Mali droht der Bevölkerung im Norden des westafrikanischen Landes nach Ansicht des Sahel-Experten Ibrahim Yahaya Ibrahim noch größere Not. Zwar habe die malische Armee militärische Erfolge gegen die Tuareg-Rebellen erzielen können, doch ohne eine politische Lösung sei eine Stabilisierung nicht greifbar, sagte der Politikwissenschaftler von der Denkfabrik „Crisis Group“ in Dakar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem werde sich die schwierige humanitäre Lage weiter verschärfen.
Als die UN-Mission abzog, habe sie, anders als vertraglich geregelt, Camps in Gegenden zurückgelassen, die von den Tuareg-Rebellen kontrolliert werden, erklärte Ibrahim. Für die malische Regierung sei dies ein Schlag gewesen. Doch in den vergangenen Monaten habe sich auch gezeigt, dass die malischen Truppen stärker geworden seien. Sie hätten nach und nach Gebiete unter ihre Kontrolle bringen können, die seit Jahren in der Hand der Rebellen waren. Dazu gehöre die Stadt Kidal, die seit 2014 unter Kontrolle der Tuareg war und jetzt von der Armee verwaltet wird. Auch alle ehemaligen Minusma-Camps unterstünden nun den Streitkräften.
Für die malische Regierung zahlten sich die Investitionen in die Armee seit dem Putsch 2021 jetzt aus, sagte Ibrahim. Die Ausrüstung, die Mali in den vergangenen Jahren vor allem von Russland gekauft habe, sowie der Einsatz russischer Soldaten der Gruppe Wagner, hätten die Truppen gestärkt und damit auch den Staat.
Dabei gehe die Regierung selbstbewusst davon aus, unterschiedliche Probleme auf militärischer statt auf politischer Ebene lösen zu können, erklärte der Sahel-Experte. Doch damit Mali langfristig stabil werden könne, müsse die militärische Strategie dringend von diplomatischen Bemühungen begleitet werden.
Nachdem die Regierung im November das ohnehin brüchige Friedensabkommen mit den Tuareg aufgekündigt hatte, ist ein innermalischer Dialog angekündigt. Das sei ein guter und wichtiger Schritt, sagte Ibrahim. Doch zusätzlich müsse es gelingen, Verhandlungen mit den bewaffneten Rebellengruppen wiederaufzunehmen und einen politischen Lösungsweg einzuschlagen.
Sonst werde sich die humanitäre Lage weiter verschlechtern. Sie sei derzeit schon „extrem schwierig“, sagte Ibrahim. Tausende Menschen seien vor den Kämpfen geflohen, lebten als Binnenvertriebene in improvisierten Lagern oder seien in die Nachbarländer geflüchtet. „Am Ende tragen Zivilisten die Hauptlast, wenn bewaffnete Gruppen und die Armee gegeneinander kämpfen.“