Seit Anfang 2025 gibt es in Rostock und im Landkreis Rostock keine Kinder- und Jugendberatung mehr in der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking. Der Verein „Stark machen“ als Träger der Rostocker Interventionsstelle teilte dazu am Donnerstag mit, dass es nicht mehr möglich sei, „dem Beratungsauftrag der Interventionsstellen mit den vorhandenen personellen Kapazitäten gerecht zu werden“. Dadurch würden Kinder und Jugendliche, die von häuslicher Gewalt mit betroffen sind, mit ihren oft traumatischen Erfahrungen allein gelassen, hieß es.
Die Fallzahlen im Bereich häusliche Gewalt und Stalking sind dem Verein zufolge in den vergangenen 20 Jahren immens gestiegen: von 383 im Jahr 2005 auf 838 im vergangenen Jahr. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der mit betroffenen Heranwachsenden von 308 auf 676. Die Zahl der Beraterinnen sei aber unverändert geblieben, erklärte der Verein.
In den fünf Interventionsstellen in Mecklenburg-Vorpommern sollten jeweils zwei Erwachsenenberaterinnen und eine Kinder- und Jugendberaterin nach einem Polizeieinsatz die Betroffenen von häuslicher Gewalt und Stalking unterstützen. In der Interventionsstelle Rostock musste die Kinder- und Jugendberatung eingestellt werden, die Kollegin ist seit Januar als Erwachsenenberaterin tätig. „Nur so können wir den Beratungsaufträgen im Erwachsenenbereich nachkommen“, erklärte Alexandra Peters, Leiterin der Rostocker Interventionsstelle, laut Mitteilung.
„Wir mahnen die fehlenden Kapazitäten seit Jahren an und schreiben Überlastungsanzeigen für unsere Einrichtungen“, sagte „Stark machen“-Geschäftsführerin Ulrike Bartel. Mittlerweile gebe es im Bereich der Interventionsstellen in MV nur noch zwei statt fünf Kinder- und Jugendberaterinnen. Die Interventionsstelle Schwerin habe die Stelle bereits 2024 dem Erwachsenenbereich zugeordnet, die Personalstelle in der Interventionsstelle Anklam-Wolgast sei seit langem unbesetzt, da keine geeigneten Bewerberinnen gefunden werden könnten.
Dabei sei die Kinder- und Jugendberatung in MV vor 20 Jahren ein bundesweit anerkanntes Modellprojekt gewesen, hieß es. Heute hätten viele Bundesländer diesen Ansatz übernommen und seien zum Teil besser aufgestellt als MV. In Sachsen beispielsweise gebe es in fast jeder Interventionsstelle zwei Kinder- und Jugendberaterinnen, Rheinland-Pfalz verfüge über eine spezielle Kinderinterventionsstelle. Bayern habe in seiner Förderrichtlinie für Interventionsstellen verankert, dass mittelbar betroffene Kinder und Jugendliche verpflichtend eine Beratung erhalten.
Kati Voss, bis Ende 2024 Kinder- und Jugendberaterin in der Rostocker Interventionsstelle, sagte: „Kinder und Jugendliche, die keinerlei Unterstützung erhalten, können die Betroffenen und die Täter von morgen sein.“ Es gebe kein anderes, so niedrigschwelliges Angebot, das diese Kinder unterstützen könnte – ohne langwierige Anträge oder Wartezeiten und mit dem Wissen um die Muster und Strukturen häuslicher Gewalt.