Artikel teilen:

Rentenpaket II: Den Kritikern von beiden Seiten reicht es nicht

Die Ampel-Regierung hat mit ihrem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch einen neuen Weg zur Finanzierung der gesetzlichen Renten eröffnet. Ab Mitte der 2030er Jahre sollen Erträge aus Darlehens-finanzierten, staatlichen Kapitalanlagen in die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Vor allem aber hat die Ampel-Koalition erst einmal die Altersbezüge für die heutigen Rentnerinnen und Rentner sowie die Boomer-Generation gesichert. Deren Renten sind – zumindest vorläufig – sicher.

Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent bis 2039 kostet viel mehr Geld, als die Einnahmen aus Aktienanlagen, dem sogenannten Generationenkapital, absehbar einbringen werden. Deshalb bleibt das Rentenpaket II umstritten, das nun der Bundestag beraten muss. Die FDP hat bereits Nachforderungen angekündigt. Die Grünen stehen dem Generationenkapital skeptisch gegenüber, spielten in der jüngsten Auseinandersetzung zwischen SPD und FDP aber keine große Rolle.

Sozialverbände und Gewerkschaften sehen in dem Weg an den Kapitalmarkt geradezu einen Sündenfall, der den Generationenvertrag ins Wackeln bringen werde. Sie fordern, dass alle Reformanstrengungen auf die gesetzliche Rentenversicherung selbst zielen müssten und das bewährte Umlagesystem auf weitere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden sollte. Damit könnten die Beitragsanhebungen im Rahmen gehalten und das Rentenniveau gleichzeitig stärker angehoben werden. Eine Standardrente von 48 Prozent des Durchschnittseinkommens verhindere keine Altersarmut, sagen große Sozialverbände.

FDP und die Wirtschaft verlangen indes weitere Reformen. Sie fordern eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für Beschäftigte mit 45 Beitragsjahren. Wer will, kann darin auch Skepsis gegenüber dem Unternehmen Generationenkapital erkennen.

Der staatliche Kapitalstock ändere zumindest nichts daran, kritisieren die Arbeitgeberverbände, dass die Sozialbeiträge weiter steigen und die Kosten für den demografischen Wandel den Jüngeren aufgebürdet würden. Heute kommen nach Angaben der Rentenversicherung knapp 2,2 Beitragszahler für einen Rentner auf, Mitte der 2030er Jahre werden es voraussichtlich 1,6 Beschäftigte sein. Der Rentenbeitrag wird je zur Hälfte von Arbeitgebern und Beschäftigten bezahlt. Er beträgt derzeit 18,6 Prozent.

Arbeitsminister Heil von der SPD entgegnet den Kritikern, das Generationenkapital werde dafür sorgen, dass die Beiträge nicht zu stark angehoben werden müssten – außerdem profitierten von dem gesicherten Rentenniveau später auch die Jüngeren. Aus dem Gesetzentwurf von Heil und FDP-Chef sowie Finanzminister Lindner geht aber hervor, dass trotz Generationenkapital für die Stabilisierung des Rentenniveaus ein Beitrags-Plus von einem Prozentpunkt allein von den Beitragszahlern und dem Bund gestemmt werden muss.

Weil das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken soll, werden die Beiträge bis 2040 auf 22,6 Prozent des Bruttoeinkommens steigen. Das Generationenkapital wird den Anstieg nur um 0,3 Prozentpunkte auf dann 22,3 Prozent dämpfen. Ohne die Reform lägen die Beiträge bei 21,3 Prozent. Dann sänke bis 2040 aber auch das Rentenniveau auf 45 Prozent.

Aus dem Generationenkapital sollen von 2036 an jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro in die Rentenversicherung fließen. Dafür nimmt der Staat Darlehen auf, um Geld für die Rente am Kapitalmarkt anlegen zu können, in diesem Jahr erstmals zwölf Milliarden Euro. Bis Mitte der 2030er Jahre sollen rund 200 Milliarden Euro zusammenkommen, die von einer Stiftung verwaltet werden. Die Rentenversicherung selbst zählt zu den Skeptikern auf dem neuen Weg: „Ein nennenswerter Kapitalaufbau und damit auch eine spürbare Entlastung ist in diesem Zeitraum nicht zu erwarten“, heißt es in ihrer Stellungnahme zum Rentenpaket II.