Brautkleider sind weiß. Früher – in manchen Gegenden auch heute noch – trugen die Konfirmandinnen weiße Kleider (siehe Seite 9). Und katholische Mädchen feiern im leuchtend weißen Kleid ihre Erstkommunion.
Das ist kein Zufall, denn die Farbe Weiß hat in vielen Kulturen eine starke symbolische Kraft. Und eine meist sehr positive Bedeutung. Das Weiß steht für Erleuchtung, Reinheit, Unschuld, Einfachheit, Frische und einen neuen Anfang.
Ein weißer Fleck auf der Landkarte ist unbekanntes Terrain; wer eine weiße Weste hat, ist unschul-dig. Ein weißes Blatt Papier ist ein unbeschriebenes Blatt, das noch alle Möglichkeiten in sich trägt. Ärzte und Wissenschaftler in Laboren tragen weiße Kittel und vermitteln damit den Eindruck von Hygiene.
Doch Weiß ist nicht gleich Weiß: Die deutsche Sprache kennt so unterschiedliche Bezeichnungen wie brilliantweiß, käseweiß, schlohweiß oder schneeweiß. Im Gegensatz zu Schwarz, der völligen Abwesenheit von Licht, ist Weiß die Summe aller Farben des Lichts. Es verkörpert also physikalisch gesehen nicht das Nichts, sondern Alles. „Von allen Farben des Regenbogens enthält Weiß ein Quäntchen, es birgt die Möglichkeit aller Farben“, heißt es auf dem Internet-Portal farbimpulse.de.
Dennoch gilt Weiß bei Künstlern und Farbexperten auch als „Nichtfarbe“. Wer „weiß wie die Wand“ oder „kreideweiß“ ist, dem fehlt gesunde Gesichtsfarbe. Auch hat Weiß, gemischt mit anderen Farben, eine bleichende Wirkung; es nimmt den bunten Farben den Knalleffekt. Weiß ist in vielen Kulturen die Farbe der Götter. Im Hinduismus sind weiße Rinder heilig, in Thailand die weißen Elefanten. Zeus erschien Europa als weißer Stier, Christus ist das weiße Lamm Gottes, und den Heiligen Geist symbolisiert eine weiße Taube.
Heutzutage ist Weiß in Europa in erster Linie die Farbe des Hochzeitskleids, das nach wie vor als Zeichen für Jungfräulichkeit und Unschuld gedeutet wird. Die Tradition, in Weiß zu heiraten, ist noch relativ jung: Die erste Braut in Weiß war die englische Königin Victoria, die 1840 Prinz Albert von Sachsen-Gotha heiratete. Die Queen wurde damit zur Trendsetterin.
Als Kleiderfarbe ist Weiß bereits im späten 18. Jahrhundert in Mode gekommen. Es galt als Farbe der alten Griechen. Auch die Architekten des frühen 19. Jahrhunderts versuchten, die Antike durch helle, klare Bauten wieder auferstehen zu lassen. Was die Gelehrten damals nicht wussten: Die alten griechischen Tempel und Statuen waren ursprünglich sehr bunt. Im Verlauf der Jahrhunderte war nur die Farbe abgeblättert.
Weiß gilt auch heute noch als die Farbe der Klarheit und schlichten Eleganz. Es ist die klassische Farbe für Tafelservice und Kaffeegeschirr. Auch Diätprodukte nutzen die Leichtigkeit der Farbe Weiß für Werbezwecke.
In der Malerei hatte das Weiß lange Zeit auch Schattenseiten. Das Bleiweiß, das Künstler wie Le-onardo, Rubens, Rembrandt oder Vermeer im 16. und 17. Jahrhundert, aber auch die Impressionis-ten im 19. Jahrhundert verwendeten, war hochgiftig. „Wer die Farbe zubereitete, mit dem Pulver hantierte, es einatmete oder über die Haut absorbierte, wurde langsam aber sicher krank“, erläutert die Kunstgeschichtlerin Marietta Rohner. Die Folgen waren unter anderem blau verfärbtes Zahnfleisch, Darm- und Magenkrämpfe, man sprach auch von „Malerkolik“. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Bleiweiß durch die kommerzielle Herstellung von Zinkweiß ersetzt.
Zur dunklen Seite der Farbe Weiß gehört auch, dass sie in weiten Teilen Asiens als Trauerfarbe gilt. Witwen tragen weiße Gewänder. Japaner verbinden die weiße Nelke mit Trauer und Tod. Auch Europa kannte das Weiß als Trauerfarbe: Die Tradition überlebte in Spanien bis ins 15. Jahrhundert und wurde auch später noch von Königinnen und Fürstinnen beibehalten, die ganz in Weiß trauerten – unter anderem, um sich vom gewöhnlichen Volk abzusetzen.
Artikel teilen:
Reinheit und Erleuchtung
Die Farbe Weiß hat in vielen Kulturen eine symbolische Kraft. Sie steht für Undschuld, Einfachheit und Frische. Weiß enthält ein bisschen von jeder Farbe des Regenbogens

© epd-bild / Rainer Oettel