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Psychologe: Ritzen bei jungen Mädchen ist “epidemisches Problem”

Selbstverletzendes Verhalten ist nach den Worten von Psychotherapeut Marcel Romanos bei Kindern und Jugendlichen ein weit verbreitetes Problem. Ritzen sei “ein außerordentlich häufiges Phänomen im frühen Jugendalter, insbesondere bei jungen Mädchen ist es epidemisch”, erklärte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Dienstag in Hannover.

Er befragte mit seinem Team an der Uniklinik Würzburg im vergangenen Jahr rund 880 Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 14 Jahren zu ihrem psychischen Befinden. Demnach gaben rund elf Prozent an, sich selbst zu verletzen, etwa in Form des Ritzens. 30 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler gaben an, schon einmal Suizidgedanken gehabt zu haben.

“Selbstverletzung ist ein Hochrisikofaktor für schwere psychische Erkrankungen wie Depressionen und suizidales Verhalten. Langfristig ist es äußerst schädlich”, warnte Romanos. Es sei ein “Ausdruck von starken emotionalen Anspannungszuständen und der mangelnden Fähigkeit, Gefühle adäquat zu regulieren”, so der Experte weiter.

Auch internationale Studiendaten zeigten, dass emotionale und affektive Störungen unter Jugendlichen deutlich zunähmen und insbesondere junge Mädchen zunehmend unter Druck gerieten.

Nach aktuellen Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse sind besonders junge Frauen im Alter von 15 bis 18 Jahren betroffen. Im Fokus stehen Angststörungen, Depressionen und Essstörungen wie Magersucht und Bulimie. Demnach stieg von 2012 auf 2022 der Anteil der 15- bis 18-jährigen Versicherten mit Angststörungen um 115 Prozent, mit Depressionen um 122 Prozent und mit Essstörungen um 62 Prozent.

Auch insgesamt nahmen laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH die psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren deutlich zu. Demnach haben 40 Prozent der befragten Mütter und Väter das Gefühl, dass ihr Kind in den vergangenen ein bis zwei Jahren vermehrt unter seelischem Stress gelitten hat. Gut ein Fünftel (21 Prozent) der Eltern 6- bis 10-Jähriger hat den Eindruck, dass ihr Kind aktuell psychisch stark belastet ist. Bei Eltern 11- bis 18-Jähriger liegt der Anteil bei knapp einem Drittel (mehr als 30 Prozent).