Die Zahl der Jugendlichen mit Depressionen steigt laut dem Psychiater Ulrich Voderholzer seit Jahren. Die Corona-Pandemie habe diesen Trend verstärkt, sagte der Ärztliche Direktor der Schön Klinik Roseneck und Chefarzt für Psychosomatik und Psychotherapie in Prien am Chiemsee im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf den „Blue Monday“ (15. Januar). Die jungen Leute seien oftmals orientierungslos, unsicher und hätten keine stabilen Familienverhältnisse. Der „Blue Monday“, der am dritten Montag im Januar begangen wird, ist nicht wissenschaftlich gesichert, erinnert aber seit mehreren Jahren daran, dass die dunkle Jahreszeit Depressionen befördern kann.
Dazu komme exzessiver Medienkonsum, der bei Menschen ohne große Medienkompetenz zu noch mehr Orientierungslosigkeit führen könne, sagte Voderholzer. Junge Menschen seien im Internet oftmals überfordert: Dort ließen sich relativ leicht extreme Strömungen und Meinungen finden. Schon Zwölfjährige könnten mit ein paar Mausklicks an Pornos und Gewaltvideos kommen. Problematisch finde er auch, welches Körperbild in sozialen Medien vermittelt werde. Man werde ständig mit Bildern von vermeintlich perfekten Körpern konfrontiert. Das könne wiederum dazu führen, dass – vor allem Mädchen – in eine Essstörung abrutschten und für den vermeintlich perfekten Körper hungerten.
Insgesamt stellt Voderholzer nach eigener Aussage eine große Unsicherheit bei jungen Leuten fest. Die Corona-Pandemie habe verunsichert, aktuell durch den Klimawandel oder die Kriege in der Ukraine sowie im Nahen Osten. Wichtig seien für Jugendliche daher ein sicheres familiäres Umfeld, verlässliche und liebevolle Bezugspersonen, Freundschaften und regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Der Psychiater plädiert auch für weniger Leistungsdruck. „Gefühlt möchten heute die meisten Eltern, dass ihre Kinder aufs Gymnasium gehen. Das ist ein großer Druck für ein Grundschulkind.“