Knapp eine Woche nach dem Rücktritt der Theologin Annette Kurschus als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen hat ihr Stellvertreter Ulf Schlüter eine „unglückliche“ Krisenkommunikation zum mutmaßlichen Missbrauchsfall im ehemaligen Kirchenkreis Siegen eingeräumt. „Im Fall Siegen haben wir nicht offensiv kommuniziert, das lässt sich lernen“, sagte der Theologische Vizepräsident dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn es um sexualisierte Gewalt gehe, müsse „bei Wahrung der Persönlichkeitsrechte wahrhaftig und offen kommuniziert werden“.
„Wir sind ja in der evangelischen Kirche dabei, uns beim Thema sexualisierte Gewalt weiterzuentwickeln“, sagte Schlüter, der nach dem Kurschus-Rücktritt kommissarisch das Amt des leitenden Theologen übernommen hat. Über die Neubesetzung des Präses-Amts entscheidet die Landessynode voraussichtlich im Mai.
Sexualisierte Gewalt: Blick auf Betroffene richten
Bei sexualisierter Gewalt müsse der erste Blick den Betroffenen gelten, betonte Schlüter: „Wir müssen den Kontakt suchen, hinhören und hinschauen.“ In einer gemeinsamen Erklärung baten die Kirchenleitung und die am Samstag beendete Landessynode die Betroffenen im mutmaßlichen Siegener Missbrauchsfall um Verzeihung. Kurschus war nach Vorwürfen mangelnder Transparenz im Umgang mit dem Fall als westfälische Präses und als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurückgetreten.
Mit Blick auf die Zukunft der Kirche hält Schlüter einen massiven Umbau der Strukturen für notwendig. Das „vereinskirchliche und gruppenbezogene Programm“ der letzte Jahrzehnte könne nicht der Normalfall bleiben. Angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen und Einnahmen lasse es sich nicht mehr aufrechterhalten, „flächendeckend und kleinteilig mit Parochien und mit Körperschaften überall in gleicher Weise vertreten“ zu sein.