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Posaunenherr und Machtdiener

Seine Sympathie für Hitler wirft einen unübersehbaren Schatten auf seine Verdienste um die Posaunenchormusik. Am 15. Mai vor 75 Jahren starb der „Posaunengeneral“ Johannes Kuhlo

In der Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017 beschäftigt sich die evangelische Kirche verstärkt mit Martin Luther, seinen Wirkungsstätten und mit seinen einstigen Mitstreitern. Mittendrin wird aber auch dem Zusammenwirken von Reformation und Musik Rechnung getragen. Die reformatorisch geprägte Musik zieht sich begleitend wie ein roter Leitfaden durch die vergangenen Jahrhunderte.
Ein wichtiges Kapitel schrieb in diesem Zusammenhang Johannes Kuhlo, der als evangelischer Theologe und als maßgeblicher Förderer der Posaunenchorbewegung überliefert ist. Seine vereinheitlichenden Neuerungen im Bereich Stimmung, Notation, Instrumentierung und Literatur ließen die Posaunenchorarbeit zu einer großen Laienbewegung im deutschen Protestantismus werden.
Sein diesbezügliches Engagement trug ihm den Beinamen „Posaunengeneral“ ein und sorgte auch über seinen Tod vor 75 Jahren hinaus für eine beträchtliche Nachwirkung in der evangelischen Kirche. Allein seine nicht zu übersehenden Sympathien für Adolf Hitler werfen allerdings auch einen großen Schatten auf das Kuhlo-Bild von heute.
Johannes Kuhlo wurde am 8. Oktober 1856 in Gohfeld bei Herford in Nordrhein-Westfalen geboren. Sein Vater fungierte hier als Pfarrer, gehörte zu den Gründungsvätern der Posaunenchorbewegung in Westfalen und orientierte seinen Sohn schon frühzeitig ebenfalls in diese Richtung. Mit Folgen. Als Kuhlo das Gymnasium in Gütersloh absolvierte, gründete er an der Schule seinerseits auch einen Posaunenchor.
Damit war der Anfang für seine eigene Wirksamkeit gemacht. Ab 1875 studierte der Pfarrerssohn nacheinander in Halle an der  Saale, Leipzig und Erlangen Theologie. Nach 1879 kam dann die Praxis. Kuhlo wurde unter Johann Hinrich Wichern im Rauhen Haus in Hamburg tätig, arbeitete als Vikar und dann auch als Hauslehrer in Alswede. 1882 übernahm er die Pfarrstelle in Hüllhorst.
Zehn Jahre später wurde er Anstaltspfarrer in Bethel. Das war ein Amt, das er über dreißig Jahre ausübte. Doch neben der Erfüllung seiner seelsorglichen Amtspflichten beschäftigte ihn die vom Vater übernommene Arbeit mit dem Posaunenchor.

Kein Platz für die Kesselpauke

Kuhlo verfolgte dabei kein abgehobenes Bildungsideal und gab sich auch nicht mit einer lokalen Beschränkung zufrieden. Er war es, der das Posaunenchorwesen, das aus der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts hervorgegangen war und in unterschiedlicher Zusammensetzung sowie Ausrichtung in Erscheinung trat, gewissermaßen systematisierte und für einen einheitlichen Standard sorgte. Kuhlo grenzte die erlaubten Instrumente ein, schloss Kesselpauken gänzlich aus und führte die Klavierschreibweise ein. Damit setzte er sich zunächst in der Region und dann im Gefolge seiner Wirksamkeit in ganz Deutschland durch.
Er war es, der es fertigbrachte, dank seiner Vereinheitlichung mehrere hundert Bläser zu einem harmonischen Posaunenchor abzustimmen. Dabei ging er zuweilen auch recht „hemdsärmelig“ vor, was ihm den Beinamen „Posaunengeneral“ eintrug. Doch der Erfolg überzeugte auch die Zweifler. Kuhlo hatte Auftritte in ganz Deutschland, gastierte mit seinem „Kuhlo-Horn-Sextett“ in ganz Europa und machte die Posaunenmusik international salonfähig.
Er war dafür bekannt, dass er seinen Gott nicht nur mit Worten lobte, sondern am „liebsten mit Posaunen“. Hier folgte er dem 150. Psalm. Dank seines Engagements und seiner Erfolge fungierte Kuhlo auch lange als Reichsposaunenwart. Aber sein Amt nutzte er nicht nur zur Lobpreisung Gottes.
Schon unter Kaiser Wilhelm II. offenbarte er mit seinen „Kaiserhuldigungen“, bei denen er rund 1000 Instrumente zur Chormusik formte, seine Schwäche für die herrschende Macht. Dagegen stand der „Posaunengeneral“ der Weimarer Republik eher kritisch gegenüber. Hier fehlten ihm Pathos und Glanz.
Anders bei Hitler, den er schon 1932 „von Gott mit großen Gaben ausgerüstet“ sah. Später gab er dem Naziführer auf dem Obersalzberg sogar ein Extrakonzert. Peinlich für jene Christen, die ihr Christentum ernst nahmen und sich nicht ausrichten ließen. Kuhlo wurde 84 Jahre alt. Er starb am 15. Mai 1941 in Bielefeld.