Der Vorsitzende der katholischen Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, hat die vatikanische Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kritisiert. Die Gleichbehandlung von Aggressor und Opfer sei ein Fehler, monierte Gadecki im Interview der katholischen Wochenzeitung “Die Tagespost” (Donnerstag) in Würzburg. “Es scheint eine Wiederholung der Fehler der vatikanischen Ostpolitik aus der Zeit des Kommunismus zu sein.”
Sollte Russland den Krieg gewinnen, werde es sein Bestreben nicht aufgeben, das Einflussgebiet der Sowjetunion wiederherzustellen, so der Erzbischof. “Wir würden also bald einen weiteren Krieg in Europa haben.” Das Problem sei “das imperiale Russland”. Es befinde sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast ununterbrochen in irgendeiner Art von Krieg. “Diesmal verweigert es dem ukrainischen Volk sein Existenzrecht, was in der Sprache des Völkerrechts als Verbrechen des Völkermords bezeichnet wird.” Gadecki fügte hinzu, er wisse auch nicht, “was geschehen muss, damit sich der russische Geist ändert”.
Die sogenannte vatikanische Ostpolitik gehört zu den kontrovers diskutierten kirchenpolitischen Themen des 20. Jahrhunderts. Die einen sehen darin einen nötigen Versuch der Kirche, den Kontakt mit den Kommunisten aufrecht und die Seelsorge durch Verständigung auf gangbare Bischofskandidaten am Leben zu erhalten. Die anderen werten sie als eine gescheiterte Anbiederung an den ideologischen Gegner zum Nachteil der Kirche oder gar als Verrat an jenen, die vor Ort unter teils hohem Einsatz Widerstand leisteten.
Den päpstlichen Unterhändlern gelang in den 60er Jahren immerhin, in Verhandlungen manche vakanten Bischofsstühle neu zu besetzen; allerdings mit staatlich genehmen Kandidaten, von denen viele nachweislich für den Staatssicherheitsdienst arbeiteten.
Tatsächlich änderte sich eher wenig an der verzweifelten Lage der Kirche. Priester, Ordensleute und Laien wurden weiter bespitzelt und teils zu langer Haft verurteilt, Religionsunterricht und kirchliche Verwaltungen quasi lahmgelegt. Die kommunistischen Machthaber hielten zumeist ihre Zusagen nicht ein.