Papst Pius XII. soll vom Plan der Nationalsozialisten zur Vernichtung der Juden gewusst haben. Das berichtet der „Corriere della Sera“ (Samstag). In einem Brief, der in den vatikanischen Archiven aufgetaucht ist, ist explizit die Rede von den deutschen Vernichtungslagern. Bislang gab es vor allem Belege dafür, dass der Vatikan von den deutschen Konzentrationslagern Kenntnis hatte, nicht aber von jenen, die der massenhaften Tötung von Menschen dienten.
Der Archivar Giovanni Coco hat laut dem Zeitungsartikel den Brief entdeckt, den der deutsche Jesuit Lothar König am 14. Dezember 1942 an den Vatikan schickte, und der dort vom Sekretär von Pius XII., Robert Leiber, empfangen wurde. Darin werden explizit die Vernichtungslager Belzec und Auschwitz erwähnt. In dem Brief heißt es, dass im „Hochofen“ von Belzec „täglich bis zu 6.000 Menschen sterben, vor allem Polen und Juden“.
Der Vatikan hatte erst im Frühjahr 2020 die Archive über das Pontifikat Pius XII, das von 1939 bis 1958 dauerte, geöffnet und damit für Forscher zugänglich gemacht. Giovanni Coco geht davon aus, dass der nun entdeckte Brief das bisher einzige Zeugnis einer Korrespondenz darstellt, die über eine längere Zeit gepflegt worden sein muss. Es handele sich um einen grundlegenden Beweis dafür, dass es einen Strom von Nachrichten über die Nazi-Verbrechen gab, die bereits zur Zeit ihrer Umsetzung beim Heiligen Stuhl eintrafen.
Der Umgang von Papst Eugenio Pacelli und des Vatikans mit dem Holocaust ist Thema zahlreicher Forschungen. Dabei geht es auch um den Prozess der Seligsprechung des Papstes, der 1967 begonnen wurde und selbst innerhalb der katholischen Kirche sehr umstritten ist.
Vom 9. bis 11. Oktober findet in der Gregoriana-Universität in Rom ein internationaler Kongress zur Rolle von Papst Pius XII. in der Zeit des Nationalsozialismus statt. Er soll zum Dialog zwischen Historikern und Theologen beitragen.