Die Pflege sei alles andere als “enkelfit”, schreiben die Arbeitgeber in einem neuen Papier. Und unterbreiten Reformpläne, die es in sich haben. Der Verband will die Pflegekassen um 16 Milliarden Euro entlasten.
Erhalten Pflegebedürftige demnächst im ersten Betreuungsjahr noch keine größeren Leistungen? Und wird ihnen auch der “Entlastungsbetrag” von 131 Euro im Monat für Putzhilfen oder Gartenarbeiten gestrichen?
Solche und ähnliche Vorschläge gehören zu einem noch unveröffentlichten Papier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) für eine radikale Pflegereform 2026, über das die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (Sonntag online) berichtet. Ziel sei es, Unternehmen und Beschäftigte als Beitragszahler nicht noch stärker zu belasten.
Zu den neuen Sparempfehlungen gehört demnach eine “Karenzzeit”: Dabei sollten die Kassen – gestaffelt nach Pflegegraden – im ersten Jahr der Feststellung der Pflegebedürftigkeit noch keine Leistungen erbringen außer Beratung, Schulung der Angehörigen und der Verbesserung des Wohnumfelds.
Nur auf diese Weise lasse sich die immer längere Pflegedauer finanzieren: 2023 verstorbene Bedürftige seien im Durchschnitt 3,9 Jahre gepflegt worden und hätten die Kassen 50.000 Euro gekostet. Für jetzige Leistungsempfänger sei indes mit 7,5 Jahren und 76.000 Euro zu rechnen. Mit solchen Karenzzeiten ließe sich etwa ein Zehntel der Pflegeausgaben sparen, mehr als sechs Milliarden Euro im Jahr.
Die BDA fordert außerdem, versicherungsfremde Leistungen aus dem Bundeshaushalt und nicht länger aus den Beiträgen zu finanzieren. Allein die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige könne die Kassen um vier Milliarden Euro im Jahr entlasten.
Auch müssten die Bundesländer endlich “vollumfänglich” ihren Investitionspflichten für die Pflegeheime nachkommen. Dadurch könne der Eigenanteil jedes Heimbewohners von durchschnittlich 3.000 Euro um fast 500 Euro im Monat sinken.
Darüber hinaus gelte es, den “Entlastungsbetrag” von 131 Euro im Monat zu streichen, mit dem Pflegebedürftige Dienste im Garten oder Haus bezahlen können, darunter Putzen, Kochen und Waschen. Diese Ausgaben seien den Empfängern zumutbar, der Zuschuss lade zu Mitnahmeeffekten ein und summiere sich auf 3,4 Milliarden Euro im Jahr.
Weiter will die BDA die von den Pflegekassen bezahlten Leistungszuschläge für Heimbewohner zur Begrenzung der Eigenanteile auf solche Personen beschränken, die zwei oder mehr Jahre stationär versorgt werden.
Alle bezifferten Vorschläge summieren sich für die Pflegekassen nach Berechnungen der Zeitung auf Einsparungen von mehr als 16 Milliarden Euro im Jahr, das wären 23 Prozent der Gesamtausgaben 2024 von vorläufig 68,2 Milliarden Euro. Die Eigenanteile der Heimbewohner könnten sich um mehr als 20 Prozent auf rund 2.370 Euro im Monat verringern.
Die Arbeitgebervereinigung weist darauf hin, dass die Pflegekassen relativ betrachtet den stärksten Beitragsanstieg aller Sozialversicherungen verzeichneten. Diese Schieflage drohe sich fortzusetzen: Aufgrund der Überalterung und eines breiten Begriffs von Pflegebedürftigkeit werde die Zahl der Leistungsbezieher bis 2045 von 5,8 auf 7,2 Millionen Personen steigen. Schon 2035 dürfte der Beitragssatz 4,5 statt derzeit 3,6 Prozent erreichen. Die Pflege sei alles andere als “enkelfit”, so die BDA.