Zum zehnten Mal seit seiner Wahl 2013 hat Franziskus neue Kardinäle ernannt. Mit einem Durchschnittsalter von 62 sind die 21 neuen Papstberater vergleichsweise jung – bis auf den Senior, der nächstes Jahr 100 wird.
“Stai attento – pass auf dich auf”, sagte Papst Franziskus zu Neu-Kardinal Angelo Acerbi, als dieser die Stufen im Petersdom hinabstieg. Als einziger der 21 Männer, die Franziskus am Samstag in sein engstes Beratergremium aufnahm, kniete der pensionierte Vatikandiplomat zur Überreichung von Kardinalsbirett, Urkunde und Ring nicht vor dem Papst nieder. Schließlich ist Acerbi schon 99 und damit ab sofort der Senior im Kardinalskollegium. Der Junior wurde ebenfalls am Samstag mit dem höchsten Titel der katholischen Weltkirche geehrt: Mykola Bychok, Bischof der Exil-Ukrainer im australischen Melbourne, ist gerade einmal 44.
Bunt, weltoffen und vielfältig wirkt die Riege der Senatoren, die der Papst beim zehnten Auswahlverfahren seit seiner Wahl 2013 berufen hat. Damit hat er deutliche Weichen für das nächste Konklave gestellt, denn 80 Prozent der möglichen Papstwähler wurden von Franziskus ernannt. Von den jetzt 253 Kardinälen sind 140 unter 80 und damit wahlberechtigt. Sie stammen aus über 70 Ländern der Erde, viele von den von Franziskus gerne zitierten “Rändern”. Es sind gewiss nicht alle Revolutionäre, die am liebsten eine Frau an der Spitze der Kirche sehen würden. Doch viele sind in der Welt herumgekommen, einige um die 50 und damit nach kirchlichen Maßstäben jung an Jahren – oder trotz fortgeschrittenem Alter jung im Denken.
So etwa der englische Theologe Timothy Radcliffe, der mit seinen oft humorvollen Predigten während der Weltsynode im Oktober von sich reden machte. Der Dominikaner (79) wünscht deutlich mehr Sichtbarkeit für Frauen in der Kirche und mehr Wertschätzung für LGBT-Personen. Der ivorische Kardinal Ignace Bessi Dogbo (63), Erzbischof von Abidjan, sagt über die seit einem Jahr vom Vatikan erlaubte Segnung homosexueller Paare, die Erklärung habe Afrikas Bischöfe etwas überrumpelt und müsse noch eingehend geprüft werden. Aber wenn der Papst das so wolle, sei das nun mal so. Und der brasilianische Kardinal Jaime Spengler (64), Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM, hält verheiratete Männer als Priester durchaus für eine Option.
Bei der feierlichen Zeremonie am Samstag im Petersdom war große Herzlichkeit zwischen dem Papst und seinen neuen Beratern zu spüren. Da wurden freundliche Worte und Scherze ausgetauscht, Hände und Wangen des Papstes getätschelt oder geküsst – allerdings hat Franziskus rechts am Kinn seit einem “kleinen Sturz” am Freitag einen großen Bluterguss. Auch wirkte der Papst, der am 17. Dezember 88 wird, erkältet und etwas kurzatmig.
In seiner Predigt beschwor er die neuen Kardinäle, sich nicht von Machtstreben, Konkurrenzdenken oder Äußerlichkeiten ablenken zu lassen. Sie sollten Jesus ins Zentrum ihres Handelns stellen und die Nähe zu den Menschen suchen, betonte Franziskus vor den “Purpurträgern”; wobei der ukrainische Exil-Bischof Bychok den für seine Tradition üblichen weinroten Mantel mit goldenen Ornamenten trug, und neben Radcliffe auch der Erzbischof von Algier, Jean-Paul Vesco, das weiße Ordensgewand der Dominikaner anbehalten hatte. Überhaupt ist die Zahl der vom Papst – selbst Jesuit – beförderten Ordensleute auffällig, darunter auch Franziskaner und Steyler Missionare.
Die meisten der neuen Kardinäle stammen aus dem Globalen Süden. Lateinamerika ist mit Erzbischöfen aus Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador und Peru vertreten, Afrika mit Algerien und der Elfenbeinküste, Asien mit Japan und den Philippinen. Hinzu kommt ein belgischer Franziskaner, der das Erzbistum Teheran leitet. Aus Europa stammen ferner fünf Italiener, ein Brite, ein Serbe sowie ein Litauer, der in Rom lebt. Auch seinen aus Indien stammenden Reisemarschall berief der Papst zum Kardinal; er nahm die Kardinalswürde im schwarzen Priestergewand entgegen.
Dass da eine andere Generation heranwächst, zeigte sich beim “Meet and Greet” am Samstagabend, als der erst 53-jährige Erzbischof von Toronto in Kanada, Francis Leo, von seinem Vater herzlich umarmt wurde; bei Neu-Kardinälen um die 70 eher unwahrscheinlich. Auch drei Geschwister von Kardinal Dogbo waren von der Elfenbeinküste angereist. Die “Welt”-Kirche von Papst Franziskus hat ihren Namen wirklich verdient.